Der Thuner Musikant Beat Flückiger entdeckte auf dem Flohmarkt eine Veteranenmedaille von 1918. Er ist ihrer Geschichte nachgegangen und hat sie für unisono aufgeschrieben. In diesem Jahr jähren sich nämlich die ersten Veteranenehrungen durch den Schweizer Blasmusikverband (SBV) zum 100. Mal.
«Das eidgenössische Veteranenreglement wurde 1923 beschlossen, doch erst im Herbst 1924 wurden die ersten Musikanten für 35 Jahre aktives Musizieren zu eidgenössischen Veteranen ernannt», wie Beat Flückiger anhand verschiedener Quellen (siehe unten) belegen konnte: «Das Reglement ist leider nicht in meinem Besitz, aber im SBV-Archiv in Aarau fand sich ein Auszug».
Eine Veteranenmedaille vom Flohmarkt
Zurück auf den Flohmarkt. Mit der Medaille, die Beat Flückiger dort entdeckt hatte, wurde einst Max Reiner (1872–1956) dekoriert, wie die Gravur auf der Rückseite verrät: «Gewidmet Max Reiner Thun 1918». Der Thuner Instrumentenfabrikant Reiner war damals Mitglied der Stadtmusik Thun.
Auf dem Bild der Stadtmusik Thun erkennt man in der Mitte der vordersten Reihe die drei ersten mit BKMV-Medaillen für 30 Aktivjahre ausgezeichneten Musikanten (v.l.n.r.): Max Reiner, Es-Cornet (4.v.l.), Arnold Galeazzi, Posaune (5.v.l.) und Gottfried Kormann, Tenorhorn (3.v.r.).
Weil auch Beat Flückiger ehemaliger Musikant der Stadtmusik Thun und heute Mitglied der Musikgesellschaft Allmendingen/Thun ist und sein Verein Mitglied des Bernischen Kantonal-Musikverbands (BKMV), pendeln wir in diesem Artikel zwischen den Veteranenehrungen und den Medaillen des SBV (früher Eidg. Musikverein, EMV) und jenen des BKMV.
Beat Flückiger
- Euphonist bei der Musikgesellschaft Allmendingen/Thun
- Kantonaler Ehrenveteran seit 2017
- 2018 präsentierte er seine Veteranenmedaillen-Sammlung an der Veteranentagung der Berner Oberländischen Musikveteranen-Vereinigung, in der er seit 2002 im Vorstand ist
Viele Austritte und ein Wundermittel
Unmittelbar nach dem 4. Kantonalen Musikfest in Bern, das 1914 gleichzeitig mit der Schweiz. Landesausstellung stattgefunden hatte, löste der Ausbruch des ersten Weltkriegs einen drastischen Rückgang der Aktivitäten in den Vereinen und auch im BKMV aus. Der Verband erhielt reihenweise Austrittsschreiben mit ähnlichen Begründungen: «Wegen Militärdienst können keine Proben und Auftritte abgehalten werden», «Entzug von Gemeindesubventionen», «viele Musikanten, vor allem Ältere, sind zurückgetreten». Es folgten Vereinsauflösungen und Verbandsaustritte.
In der Verbandsleitung wurde viel und lange beraten und diskutiert: Wie können die Austritte und Auflösungen abgewendet werden? «Durchhalten» war die Devise, aber wie? Wie können langjährige Musikanten dazu bewegt werden, sich für das Überleben ihrer Vereine einzusetzen, statt die Flinte ins Korn zu werfen? Mit der Ehrung von langjährigen Mitgliedern schien endlich ein Wundermittel gefunden zu sein.
Eine achteckige Silberplakette aus 900er Silber
Ein kantonales Veteranenreglement wurde geschaffen, das die Ehrung aller Musikanten (Musikantinnen gab es damals noch keine) mit 30 und mehr Aktivjahren vorsieht.
Nun musste eine Veteranenmedaille geschaffen werden. Unter verschiedenen Entwürfen wurde die von Graphiker H. Haas aus Bözingen gestaltete, achteckige Silberplakette aus 900er Silber ausgewählt, mit Berner Wappen, Lyra und schwarz-rotem Befestigungsband (Medaille oben links im Bild).
Weitere BKMV-Veteranenmedaillen auf dem Bild:
- Obere Reihe rechts: Medaille für 50 Jahre von 1954–1980 (französische Version)
- Untere Reihe links: Medaille für 30 Jahre von 1981–1989 (dieselbe Medaille gab es für 50 Jahre in Gold)
- Untere Reihe Mitte: Medaille für 50 Jahre von 1990–2011 (dieselbe Medaille gab es für 30 Jahre in Silber)
- Untere Reihe rechts: Medaille für 50 Jahre seit 2012 (dieselbe Medaille gibt es für 30 Jahre in Silber)
Neue Medaillenform ab den 80er Jahren
Später (wann genau ist nicht bekannt) ergänzte man die Plakette mit einer massiven Barette mit breitem Band (Medaille in der Mitte der oberen Reihe). Die Auswahl fand allgemeine Zustimmung. Herstellerin war die Firma Huguenin aus Le Locle, und die Kosten von 2.50 Franken pro Stück trugen die Sektionen, die Veteranen zu ernennen hatten. Die ersten beiden Medaillen (obere Reihe v.l.n.r.) waren von 1918–1980 im Einsatz.
Nach über 60 Jahren wurden die achteckigen kantonalen Veteranenmedaillen anfangs der 1980er Jahre durch eine viereckige Medaille ersetzt, die 1990 und 2012 wiederum durch neue Sujets abgelöst wurde.
1918: Erste kantonale Ehrungen
Die ersten Veteranenfeiern mit 102 angemeldete Veteranen wurden nach Landesteilen einzeln durchgeführt, im Kanton Bern am 29. Dezember 1918. «Eine solche Medaille ist in meinem Besitz», erklärt Beat Flückiger stolz. Es ist die wie oben erwähnt auf dem Flohmarkt entdeckte von Max Reiner (im Bild obere Reihe links).
Von 1919 bis 1943 wurden die Veteranen an den kantonalen Delegiertenversammlungen geehrt und ab 1944 an den Musiktagen. Während die Zahl der Veteranen laufend zunahm, beanspruchte ihre Ehrung an der DV zunehmend mehr Zeit, und schliesslich mussten viele Delegierte und Veteranen die DV vorzeitig verlassen, um noch gleichentags nachhause zu kommen.
1924: Erste Eidgenössische Ehrungen
An der kantonalen Delegiertenversammlung vom 26. Oktober 1924 in Herzogenbuchsee wurden erstmals Musikanten mit 35 Aktivjahren zu eidgenössischen Veteranen ernannt. Der Präsident des Eidg. Musikvereins (heute SBV) von 1913–1938, Prof. Josef Lombriser aus Freiburg, feierte die 63 Veteranen mit einer formvollendeten Ansprache als Träger eines volksverbundenen Ideals.
Auch Max Reiner war einer der Geehrten. Auf der Rückseite seiner Medaille, auf dem Foto die 1.v.l., ist eingraviert: «Der Eidg. Musikverein an Max Reiner in Anerkennung seiner 35 Jahr Tätigkeit».
Die erste Medaille (Foto 1.v.l.) war aus 880er Silber. Die Plakette mit dem weiss-roten Band zeigt ein Schweizer Kreuz mit Lyra. Herstellerin war ebenfalls die Firma Huguenin in Le Locle. Später wurde auch diese Medaille (Foto 2.v.l.) mit massiver Barette und einem breiten Band ergänzt. Beide waren von 1924–1977 im Einsatz. Die Plakette berechtigte zu einem freien Eintritt an eidgenössischen, kantonalen und regionalen Blasmusikfesten.
1978 folgte jene mit dem Waldhorn am weiss-roten Band (Foto 3.v.l.), auch sie von Huguenin hergestellt. Die Medaille mit vier abgerundeten Ecken (r. auf dem Foto) wurde von 1998–2008 vergeben, nachdem der EMV seinen Namen in SBV geändert hatte (Hersteller Paul Kramer Neuenburg).
Erste Kantonale Ehrenveteranen und CISM-Medaillen
An der DV vom 30. Oktober 1932 in Spiez wurden erstmals 12 Musikanten für 50-jähriges Musizieren zu Kantonalen Ehrenveteranen ernannt. Anstatt einer Medaille erhielten sie eine Urkunde. Diese ersetzte man 1954 durch ein Ergänzungsabzeichen mit der Zahl «50», das am Band der kantonalen Medaille angebracht wurde.
Da die Menschen – auch die Musikantinnen und Musikanten – immer älter werden, konnte 1986 erstmals das Abzeichen für 60 Jahre aktives Musizieren vergeben werden, die sogenannte CISM-Medaille (Confédération Internationale des Sociétés Musicales, Internationaler Musikbund). Überreicht wird sie an regionalen Musiktagen oder an besonderen Anlässen.
Neues SBV-Logo
Die Medaille für Eidgenössische Veteranen (35 Jahre) wurde 2009 aufgrund des neuen SBV-Logos durch ein neues Sujet abgelöst (Hersteller Faude & Huguenin).
Die vorläufig letzte Entwicklung in dieser Medaillengeschichte: 2009 wurde auf vielseitigen Wunsch auch eine goldene Medaille für Eidg. Ehrenveteranen (70 Aktivjahre) geschaffen. Sie waren seit 2004 mit einem Diplom ausgezeichnet worden.
Quellen:
Jubiläumsschrift 50 Jahre BKMV 1955, A. Pfeuti; Jubiläumsschrift 100 Jahre EMV 1962, E. Rumpel, Schweizer Zeitschrift für Instrumentalmusik 15.01.1924; unisono 6/2009 und 7/2022; Auskünfte von Walter Rüfenacht, Veteranenchef BKMV; Notizen Beat Flückiger