Carlo Balmelli, Protagonist der Blasmusikkultur

Carlo Balmelli beim Dirigieren
Kurz nach der Verleihung des Stephan-Jaeggi-Preises, der ihm letztes Jahr zugesprochen wurde, macht Carlo Balmelli wieder von sich reden: Er gehört zu den Gewinnern der diesjährigen Schweizer Musikpreise. Damit erntet der Tessiner Dirigent eine doppelte Anerkennung für sein Engagement, das sich mit der Aufführung der ersten Oper für Blasorchester ein weiteres Mal konkret zeigen wird.

Im Januar hat «unisono» anlässlich der Verleihung des Preises der Stiftung der Schweizer Musikanten «In Memoriam Stephan Jaeggi» mit Carlo Balmelli gesprochen. Heute, nach nur sechs Monaten, trifft unser Magazin den Tessiner Dirigenten wieder, der mit einem der Schweizer Musikpreise 2023 ausgezeichnet worden ist. Dies ist eine weitere Anerkennung für die Arbeit, die er seit vielen Jahren leistet, ohne jemals den Wunsch zu verlieren, den eigenen Horizont und denjenigen der Blasmusik im Allgemeinen zu erweitern. Auch in diesem Moment entsteht gerade wieder ein neues grosses Projekt.

Carlo Balmelli beim Dirigieren Foto: Dominik Baumgartner
Carlo Balmelli mit der Stadtharmonie Zürich Oerlikon-Seebach am LSWBC.

Carlo Balmelli, was bedeutet Ihnen diese erneute Auszeichnung?

Ich fühle mich sehr geehrt und bin vor allem überrascht: Es ist eine Auszeichnung, die ich mit grosser Freude entgegennehme, auch weil sie völlig unerwartet kommt. Ich sehe sie als Bestätigung für die Wertschätzung meiner bisherigen Arbeit, aber auch als Ansporn, meine Tätigkeit fortzusetzen, neue Ideen zu entwickeln und neue Projekte zu verwirklichen.

Welche Bedeutung hat der Preis Ihrer Meinung nach für die Blasmusik im Allgemeinen?

Ich glaube, dass sich jeder, der in der nationalen Blasmusikszene tätig ist, nur freuen kann, dass unser Wirkungsbereich eine solche Anerkennung erfährt. Unter den Juroren, die die Preise vergeben haben, sind keine Experten aus der Blasmusikwelt, vielmehr kommt der Grossteil von ihnen aus der Rock-, Pop- oder der experimentellen Szene. Das ist also ein sehr gutes Zeichen.

In unserer ersten Ausgabe des Jahres haben wir mit Ihnen auf Ihre Karriere zurückgeblickt. Wer mehr darüber wissen will, den verweisen wir auf die Seiten 6–12 von «unisono» 01/2023. Widmen wir uns diesmal Ihrer Gegenwart und der nahen Zukunft. Sie arbeiten aktuell an einem grossen Projekt.

Ja, im November werde ich zusammen mit der Civica Filarmonica di Mendrisio die «Maddalena» der Öffentlichkeit präsentieren, die erste Oper, die für Blasorchester geschrieben wurde, zumindest soweit ich das feststellen konnte. Es gibt viele Bearbeitungen des Opernrepertoires, aber kein einziges Originalwerk für ein solches Orchester.

Wie kam es zu dieser Idee?

In der Vergangenheit habe ich mit der Civica Filarmonica di Mendrisio die «Sacra Terra del Ticino» (Heiliges Land des Tessins), ein Werk von Guido Calgari mit Musik von Gian Battista Mantegazzi, und die Oper «Wilhelm Tell» von Gioachino Rossini aufgeführt. Die Aufführung der letzteren – in einer bearbeiteten Fassung – fand im Jahr 2007 statt. Seit Jahren habe ich über die Möglichkeit nachgedacht, ein weiteres Werk mit Stimmen zu präsentieren und damit eine ideale Trilogie abzuschliessen. Ich war auf der Spur eines Melodramas, das Mitte des 19. Jahrhunderts in Mailand aufgeführt wurde und das ich selbst transkribieren wollte. Dann überschnitten sich verschiedene Ereignisse: Während des ersten Lockdowns, der uns alle zwang, zuhause zu bleiben, begann ich ein Buch von Carlo Silini zu lesen, «Il ladro di ragazze» (Der Mädchendieb), und ich erhielt einen Anruf von Renato Bullani, der die Produktion von «Sacra Terra del Ticino» und «Wilhelm Tell» gefördert hatte. In der erzwungenen Untätigkeit des Lockdowns hatte auch er Lust, an die Zukunft zu denken und etwas Neues zu planen. Silinis Roman hat einen historischen Hintergrund und spielt zwischen der südlichsten Region der Schweiz, dem Mendrisiotto, und dem benachbarten Italien. Ich sagte mir, dass diese Geschichte, die so eng mit unserer Region verbunden ist, sich zu einer Trilogie erweitern könnte; «Maddalena» basiert auf dem ersten Buch und das zweite, «Latte e sangue» (Milch und Blut) – könnte das Thema einer Oper sein, die von Grund auf für Blasorchester konzipiert wurde. Ich habe Renato davon erzählt, und er war sofort von der Idee begeistert.

Carlo Balmelli, Carlo Silini und Renato Bullani bei der Pressekonferenz zu «Maddalena». Foto: Stefano Soldini
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Werks: Rechts neben Carlo Balmelli sitzen Carlo Silini, Autor der Bücher, die das Libretto inspiriert haben, und Renato Bullani, Organisator der Veranstaltung.

Wie ging es weiter von der Idee bis zu ihrer Umsetzung?

Wir nahmen Kontakt zu Carlo Silini auf, der sich nach anfänglichen Zweifeln mit Überzeugung dem Projekt anschloss und einen ersten Entwurf des Librettos (Textbuch für Opern) anfertigte. Schon in dieser ersten Phase dachte ich, dass Thomas Trachsel, den ich sowohl beruflich als auch persönlich gut kenne, der geeignetste Autor für die Vertonung von «Maddalena» ist. Und als ich mit ihm darüber sprach, bestätigte sich dies: Er begann zu schreiben, noch bevor die Texte fertig waren.

Der Stein war ins Rollen gebracht worden.

Ja, und wir zogen weitere Akteure hinzu: zunächst Diego Bernasconi, unseren Regisseur, der sich auch darum kümmerte, die von Carlo Silini getroffene Auswahl für das Libretto noch weiter zu reduzieren, damit die Oper eine angemessene Länge erhielt. Dann Tobia Botta, der sich um das Bühnenbild kümmert. Für den Chor haben wir mit dem Coro Lirico di Lugano einen geeigneten Partner gefunden, der vom ebenfalls in der Blasmusikwelt tätigen Andrea Cupia geleitet wird; er hat in der Vergangenheit mit verschiedenen Ensembles gearbeitet und ist derzeit Leiter der Filarmonica Verzaschese. Schliesslich haben wir die Gesangssolisten engagiert.

Verraten Sie unseren Leserinnen und Lesern die Daten der Aufführung?

Wir werden «Maddalena» an den Abenden vom 3., 4. und 5. November 2023 im Palazzo dei Congressi in Lugano aufführen. Es ist der einzige Saal, der die richtigen Voraussetzungen für die Veranstaltung bietet: Selbst der Hauptsaal des LAC (Lugano Arte e Cultura) ist zu klein. Es wäre nicht möglich, alle Musiker im Orchestergraben unterzubringen.

Die Civica Filarmonica Mendrisio mit Carlo Balmelli im Konzert in der Villa Argentina Foto: Lara Bergliaffa
Die Oper «Maddalena» wird von Carlo Balmelli und der Civica Filarmonica Mendrisio aufgeführt.

Wird die Aufführung in Lugano ein einmaliges Ereignis sein?

Im Moment haben wir keine Pläne, die Oper noch einmal aufzuführen, aber nichts ist ausgeschlossen. Der Verlag, den ich mit Thomas Trachsel führe, wird die Partitur veröffentlichen.

Der Preis, der Ihnen im September überreicht wird, zeichnet eine Tätigkeit aus, die sehr anspruchsvoll und aufwendig ist, wie wir gehört haben. Bleibt Ihnen überhaupt noch Freizeit?

Sehr wenig (lacht)! Wenn ich mir eine Auszeit leisten kann, lese und koche ich gerne, ein Hobby, das mich entspannt, dem ich mich aber nur widme, wenn ich mir die Zeit dafür nehmen kann.

Gian-Andrea Costa, Mitglied der nationalen Musikjury und Leiter der Abteilung Musik RSI Foto: Kyrhian Balmelli

«Carlo Balmelli ist ein unermüdlicher Arbeiter, dessen Beständigkeit und Ausdauer für Generationen von Musikerinnen und Musikern eine Brücke zwischen der Welt der Amateur- und der Berufsmusik gebildet hat und immer noch bildet, sowie eine Referenz und ein vereinendes Element für die Schweizer Blasmusikbewegung.»

Gian-Andrea Costa, Mitglied der nationalen Musikjury und Leiter der Abteilung Musik RSI
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