Viele Musikvereine suchen verzweifelt nach jungen oder neuen Mitgliedern. Dabei gibt es gute Gründe, gemeinsam zu musizieren, sagt die junge Walliser Kolumnistin und Musikantin Raphaela Daria Sohm. Ihre Kolumne wurde im Walliser Boten veröffentlicht, für den sie einmal pro Monat schreibt. Nun erscheint ihr Beitrag auch zweisprachig im «unisono», weil das Thema uns alle betrifft.
Es geht vielen Vereinen und Verbänden ähnlich: Der fehlende Nachwuchs macht ihnen zu schaffen. So sehr, dass sie zuweilen in ihrer Existenz bedroht sind.
Auch Musikgesellschaften drohen zu verstummen – selbst im musikbegeisterten Wallis. Ich selbst spiele seit fünf Jahren in der Jugendmusik Brig mit. So habe ich die Nachwuchsproblematik hautnah miterlebt: Als ich dem Verein beigetreten bin, waren wir über 50 Musikantinnen und Musikanten. Heute sind wir noch 24. Innerhalb von fünf Jahren hat rund die Hälfte der Mitglieder der Jugendmusik den Rücken gekehrt. Eine erschreckend hohe Zahl, wie ich meine.
Die Gründe für den Austritt sind unterschiedlich: Einige ziehen weg, andere werden zu alt, Dritte verlieren die Lust. Neueintritte sind im Gegensatz dazu kaum zu verzeichnen. Die Rechnung kann auf Dauer nicht aufgehen. Daher beobachte ich diese Entwicklung mit Bedauern und Besorgnis zugleich.
Klar ist, dass man in einer Musikgesellschaft eine grosse Verantwortung mitträgt. Man sollte regelmässig an den Proben erscheinen, wenn möglich vorbereitet, muss zu Hause verschiedene Stücke üben, an Wettbewerben teilnehmen und an Feiertagen und besonderen Anlässen wie zum Beispiel an Fronleichnam, bei der Firmung oder der Erstkommunion aufspielen. Alles Verpflichtungen, für die man sich Zeit nehmen muss. Zeit, die viele nicht mehr haben. Oder nicht mehr haben wollen.
Und trotzdem gibt es viele Aspekte, die dafür sprechen, dass man in einem Musikverein mitspielt. Zum einen ist die Gruppendynamik und Stimmung bei uns in der Jugendmusik ausgezeichnet. Alle schauen aufeinander, niemand wird ausgeschlossen. Wir sind ein Team – auch vor und nach dem Musizieren.
Raphaela Daria Sohm
- Instrument: Oboe, Klavier und Saxofon
- Alter: 17 Jahre
- Verein: Jugendmusik Brig
- Ausbildung: Oboen-Unterricht an der Allgemeinen Musikschule Oberwallis (AMO)
- Beruf: im 2. Lehrjahr zur Fachfrau Information und Dokumentation (Bibliothekarin) in der Mediathek Brig
Vor allem aber lernt man, mit anderen Leuten zusammen zu musizieren. Wenn man immer nur allein spielt, vergisst man manchmal, auf andere zu hören. Musizieren ist also auch eine Lebensschule. Und wenn ich ehrlich bin: In der Gruppe macht das Musizieren auch mehr Spass als allein. Es ist nun mal gesellig, kommunikativ und verbindend. Das zeigt sich auch immer wieder an den Wettbewerben. Ob wir gewinnen oder nicht – bei uns wird unabhängig vom Resultat gefeiert.
Musik kann aber auch das Selbstvertrauen stärken. Das klingt vielleicht ein wenig seltsam. Aber jeder, der schon einmal ein Solo gespielt hat, weiss, dass es sehr viel Mut und Überwindung braucht, exponiert vor dem Publikum zu solieren. Man muss konzentriert seine Leistung auf den Punkt abrufen können, während alle Augen auf einen gerichtet sind. Wer komplizierte Tonfolgen bezwingt, ganze Stücke auswendig spielen kann und öfters Auftritte vor Publikum meistert, den werden auch andere herausfordernde Aufgaben des täglichen Lebens und in der Schule so schnell nicht einschüchtern. Und hinterher darf man auch unglaublich stolz auf sich und seine eigene Leistung sein. Auch das ist Lebensschule – eine musikalische sozusagen.
Die Jugendmusik Brig zeichnet sich für mich dadurch aus, dass wir eine ausgezeichnete Kameradschaft haben und wir unabhängig vom Resultat feiern. Ganz nach dem Motto: Dabei sein ist alles! Es ist auch jede für jeden da, egal, ob eine erst neu dazugekommen ist und der andere schon sein halbes Leben lang mitspielt.
Raphaela Sohm, Oboistin Jugendmusik Brig
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich sind das alles sehr überzeugende Argumente für die aktive Mitgliedschaft in einem Musikverein. Wenn Sie also selbst Lust haben, bei einer Musikgesellschaft mitzuspielen, dann melden Sie sich jederzeit bei einem Verein in Ihrer Nähe. Man wird Sie auf jeden Fall mit Freude, dankbar und wohlwollend aufnehmen. Denn in letzter Zeit ist es zunehmend schwieriger geworden, junge Leute für ein freiwilliges Engagement in einem Musikverein zu begeistern. Natürlich können Sie auch als Erwachsene noch mit dem Musizieren beginnen – das wollte ich damit gar nicht ausschliessen. Aber die Jugend ist nun mal die Gesellschaft von morgen.
Jugendmusik Brig
Die Jugendmusik Brig hat zurzeit 24 Mitglieder und steht unter der Leitung von Manuel Zenklusen. Die Formation spielt in Harmoniebesetzung in der Mittel- bis Oberstufe. Von der Klassik über die Film- bis hin zur Unterhaltungsmusik zählt die JM Brig alles zu ihrem Repertoire. Nebst der Jugendmusik gehören auch zwei Minis-Formationen und das Junior Ensemble zum Verein.
Mehr erfahren: jm-brig.ch