Der Graubündner Kantonale Musikverband (GKMV) hat im Rahmen seines Transformationsprojekts «Glanz & Trompete» völlig neue Wege beschritten, um junge Menschen für die Blasmusik zu begeistern. Zwei davon sind «GKMV on tour» und die All-Star-Band «Caprihorns». Rückblick auf das erfolgreiche Projekt mit Chiara Jacomet, Musikerin und Sängerin der Caprihorns, und Andy Kollegger, Präsident GKMV.
Andy Kollegger, wie ist es zu diesem Förderprojekt gekommen?
Wir hatten bereits in der ersten Runde der von Bund und Kanton für den Amateurbereich angebotenen Förderbestrebung namens «Transformationsprojekte» zwei kleine Projekte durchgeführt (Vereinscoaching und CO2-Messgeräte). Nachdem die Eingabe um ein Jahr verlängert wurde, war für uns klar, dass wir nochmals eine Eingabe lancieren. Dabei konnten wir von der Vorarbeit der ersten Runde profitieren.
Der GKMV hat zwei Teilprojekte lanciert.
Genau, einerseits «GKMV on tour» und andererseits die All-Star-Band «Caprihorns» mit der jungen Sängerin Chiara Jacomet. Bei beiden Teilprojekten spielten die sozialen Medien aufgrund der Zielgruppendefinition u20 eine wichtige Rolle. Zum einen, weil wir damit zur Teilnahme aufgerufen haben, zum anderen auch, um über diese Kanäle über die Aktivitäten zu berichten.
Sprechen wir zuerst über «GMKV on tour». Wie ist die Tour abgelaufen?
Mit «GKMV on tour» waren wir an allen grossen Anlässen im Kanton präsent. Mit einem eigens für diese Tour konzipierten Stand, einem Bläserensemble, Infomaterial und Instrumenten zum Ausprobieren. So zum Beispiel am Churerfest, an das in diesem Jahr rekordverdächtige 90 000 Leute geströmt sind. An unserem Stand machten wir mit musikalischen Darbietungen auf die Blasmusik aufmerksam. Interessierte probierten unter fachkundiger Anleitung Instrumente aus und wir verteilten Werbematerial zum Beispiel für die Jugendmusiklager.
Wie waren die Rückmeldungen?
Das Feedback eines OK-Mitglieds des Churerfests kann stellvertretend für die vielen erhaltenen Rückmeldungen dienen: Er fand es eine mega lässige Idee, dass die Blasmusik informativ mit einem Stand vertreten war und das Fest damit auf eine besondere Weise bereichert wurde. Unsere Präsenz wurde in jedem Fall zur Kenntnis genommen – nicht nur von den «eigenen Leuten», sondern auch von der Öffentlichkeit, was ja eines unserer primären Ziele war.
Was hat «GKMV on tour» der Bündner Blasmusik gebracht?
Das Ziel von «GKMV on tour» war, die Blasmusik auf eine neue, informative Weise zu den Leuten zu bringen. Es ist uns gelungen, die Sichtbarkeit der Blasmusik zu erhöhen. Und es war definitiv einfacher, an Leute heranzukommen, die nichts mit Blasmusik zu tun haben. Das Publikum hat uns auch dort zur Kenntnis genommen, wo kein direkter Kontakt stattgefunden hat. Auch wollten wir mit der vor Ort gebotenen Möglichkeit, Instrumente auszuprobieren, das Interesse an Blasinstrumenten wecken.
Wie sah das Teilprojekt «Caprihorns» aus?
Via Casting haben wir die Bandmitglieder für eine neue All-star-Band gesucht, die Caprihorns. Die Band hat ein vom Schweizer Musikstar Nickless geschriebenes Stück professionell eingespielt. Und die junge Sängerin Chiara Jacomet – sie stammt aus dem romanischen Teil Graubündens – hat Songtext und Gesang beigesteuert.
Wie ist das Band-Casting abgelaufen?
Das Casting fand ausschliesslich in den sozialen Medien statt. Interessierte wurden aufgerufen, ein Video von sich heraufzuladen, bei dem sie ein kurzes Musikstück spielen. Wir wurden offen gestanden nicht überschwemmt mit Videos. Dies liegt wohl daran, dass die Überwindung gross ist, sich mit dem Instrument solistisch im Internet zu exponieren. Glücklicherweise haben wir genügend und auch gute Bewerbungen erhalten und konnten die Band mit acht verschiedenen Blasinstrumenten bilden.
Wie war das Medienecho?
Wir sind daran, den Medienspiegel zu erstellen, aber es kann bereits jetzt gesagt werden, dass es auch medial ein Erfolg war. Von den lokalen Zeitungen über das lokale Fernsehen bis zum Schweizer Radio wurde breit und zum Teil mehrfach über das Projekt berichtet.
Chiara Jacomet, wie war das Projekt für dich?
Es ist eine sehr grosse Ehre für mich. Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut und nicht lange überlegt und zugesagt. Mir war bewusst, dass ich nicht so schnell wieder eine solche Gelegenheit erhalte. Toll fand ich auch, dass sich der Kanton Graubünden so für die Kultur und ein Projekt engagiert, junge Menschen zu motivieren, ein Blasinstrument zu lernen. Das wollte ich unterstützen, nebst dem es für mich eine super Möglichkeit zum Singen war.
Den Songtext hast du in deiner Muttersprache verfasst zur Musik aus der Feder von Nickless.
Mir gefällt seine Musik und ich habe es sehr cool gefunden, dass ich den Songtext auf Romanisch schreiben darf. Den Text zur Musik von jemand anderem zu schreiben war eine neue Aufgabe und gleichzeitig tolle Herausforderung für mich, und das würde ich in Zukunft gerne wieder machen.
Hattest du vorher schon einmal Berührungspunkte mit der Blasmusikszene?
Ja, früher, als kleines Mädchen. Ich bin im Dorf Rabius in der Surselva aufgewachsen und der Musikverein Surrein-Rabius spielte beispielsweise an kirchlichen Anlässen.
Was hat dich am Projekt mit den Caprihorns am meisten beeindruckt?
Dass es möglich ist, ein so grosses Projekt in so kurzer Zeit (April bis Oktober) auf die Beine zu stellen und so professionell durchzuführen.
Kann man mit diesem Projekt aus der Blasmusik-Bubble ausbrechen?
Es war ein toller Weg, die junge Generation über die verschiedenen Social-Media-Plattformen anzusprechen und das Image der Blasmusik cool und modern darzustellen. Aber ich finde, dass man das Ganze jetzt noch mehr in die Tat umsetzen müsste. Zum Beispiel beim Repertoire – dass die Dorfvereine vielfältigere und zeitgemässere Stücke spielen, vielleicht auch mal als Big Band o. ä. auftreten und mehr mit der Zeit gehen und Traditionelles dabei trotzdem bewahren.
Andy Kollegger, das Band-Casting fand nicht ganz den gewünschten Anklang, andere Aktionen hingegen schon.
Die Social-Media-Beiträge haben sehr gut funktioniert. Die Klickraten waren hoch. Und bei den auf allen Kanälen generierten Impressionen stehen wir bei mehreren Millionen. Als überaus gelungen bezeichnet werden kann auch der eigentliche Song «Ensemen» von den Caprihorns und Sängerin Chiara Jacomet. Es gab zwar viele Unwägbarkeiten bis zur Veröffentlichung, die aber von den Projektmitgliedern bravourös gemeistert wurden.
Der Song «Ensemen» ist am 6. Oktober erschienen. Wie ist das Streaming angelaufen?
Wir sind positiv überrascht! Bereits am ersten Tag ist der Song auf YouTube mehr als 1000 Mal und auch danach fleissig angeklickt worden. Auch haben Radiostationen zugesagt, den Song in ihre Playlist aufzunehmen. «Ensemen» ist auch auf gängigen Streamingplattformen wie Spotify abrufbar.
«Ensemen» anhören
Von «Ensemen» gibt es auch Noten für Musikvereine.
Wir sind daran, die Noten für Brassband- und Harmoniebesetzung zu erstellen. Weitere Infos zum Download werden auf unserer Webseite bekanntgegeben.
Welches Projektziel hat sich der GKMV gesetzt?
Die Blasmusik beim Zielpublikum (<20 Jahre) proaktiv als cool, modern, frisch, aufgeschlossen sowie auf gepflegtem, gutem Niveau zu zeigen.
Hat sich dieses Ziel erfüllt?
Die Zielevaluation ist noch in Bearbeitung, aber nur schon die Klickraten auf Social Media, also dort, wo sich die junge Generation aufhält, lassen bereits jetzt ein überaus positives Fazit zu. Diese jungen Leute hätten wir auf den klassischen Kanälen und mit den herkömmlichen Werbemitteln nie oder sicher nicht in dieser Anzahl erreicht. Und dank dem Teilprojekt «GKMV on tour» waren wir auch in der breiten Öffentlichkeit präsent.
Der GKMV ist also zufrieden?
Wir sind überaus zufrieden mit dem Erreichten und danken dem Bund, dem Kanton Graubünden, unseren Sponsoren aber auch unseren Delegierten, dass sie uns dieses Projekt ermöglicht haben. Ein grosser Dank gilt auch der Projektleiterin Bianca Mayer, die mit hohem Einsatz, viel Herzblut, Konsequenz und Fachkompetenz das Projekt zum Erfolg gebracht hat.
Welches waren die grössten Herausforderungen?
Da wir erst im April an unserer Delegiertenversammlung das eigentliche «Go» erhalten haben und bis am 31. Oktober alles abgeschlossen sein musste, war der Zeitdruck die grösste Herausforderung. Normalerweise wird diese Zeitspanne nur schon für die Planung eines Projektes benötigt. Wir aber mussten in dieser Zeit planen, organisieren, umsetzen, dokumentieren und abschliessen.
Dazu kam, dass ihr alles zum ersten Mal gemacht habt.
Ja, dies führte dazu, dass sich eingeschlagene Wege immer wieder als Sackgasse entpuppten und neue eingeschlagen werden mussten. Es war, als ob wir in Rekordzeit einen Marathon laufen müssten, der in einem Labyrinth durchgeführt wird.
Es ist klar, dass unter diesen Voraussetzungen auf allen Stufen ein enorm grosses Vertrauen vorhanden sein musste, sei es beispielsweise von den Delegierten in den Verband oder aber auch vom Vorstand in die Projektleitung und die involvierten Projektmitarbeitenden. Wir hatten auch sehr viel Glück, dessen sind wir uns bewusst.
Wie schätzt du die Nachhaltigkeit des Projekts ein?
Was sicher bleibt, ist ein cooler Song, der vielleicht auch vom einen oder anderen Verein gespielt werden wird. Ebenfalls bleibt das Image, mit dem wir vermitteln durften, dass die Blasmusik innovativ, dynamisch und offen ist für Neues und damit durchaus junge Leute motivieren und begeistern kann. Weiter bleibt eine riesengrosse Erfahrung. Das Allerschönste wäre natürlich, wenn es gelungen wäre, der Musikschule und/oder dem einen und anderen Verein zu neuen Mitgliedern zu verhelfen.
Wie geht es weiter, gibt es Folgeprojekte?
Wir prüfen weitere Auftritte mit den Caprihorns und überlegen uns, ob wir «GKMV on tour» weiterführen. Konkrete Entscheide wurden bislang aber noch keine getroffen.