Sie will sich treu bleiben

Porträt Kerstin Schnyder mit dem Taktstock in der Hand
Kerstin Schnyder ist Dirigentin, Lehrerin, Studentin und Dozentin zugleich. Ein Gespräch über die Vorbereitung der Probe, den Puls eines Vereins – und warum bei Dirigenten ein Spiegel an der Wand hängt.

Sie ist jung, dynamisch, hoch qualifiziert und perfekt zweisprachig: Kerstin Schnyder könnte der Shootingstar der Schweizer Blasmusik sein. Doch jetzt legt sie vorerst eine Pause ein. Das verlangt nach einer Erklärung.

Doch zunächst die Frage: Wieso überhaupt dirigieren? «Das Dirigieren vereint alles, was ich gerne mache», sagt Kerstin Schnyder: Die Leidenschaft zur Musik, das Einbringen innovativer Ideen, die notwendige Pädagogik und das kritische Reflektieren. Darüber hinaus plane, organisiere und leite sie gerne.

Es geht immer um Musik

Dirigieren ist auch für Kerstin Schnyder eine Nebenbeschäftigung. Beruflich ist sie zu 65 Prozent als Lehrerin an einer Orientierungsschule tätig. Parallel dazu absolviert sie einen zusätzlichen Master in Psychologie und Pädagogik und ist an der Freiburger Universität Lehrerin für Fachdidaktik musische Fächer. In ihrer Freizeit musiziert sie und spielt Volleyball im Klub. Kerstin Schnyder stammt aus dem Wallis, wo sie mit 19 auch ihren ersten Verein dirigiert hat. Heute lebt und dirigiert sie im Kanton Freiburg.

Nach kantonalen Dirigentenkursen in der Heimat folgte in Freiburg das ZAB-Diplom bei Jean-Claude Kolly, Etienne Crausaz und Benedikt Hayoz. Richtig «eingefahren» sei ihr damals im Unterricht, wie eine Probe richtig vorbereitet wird – aber auch, wie wichtig es sei, sich für das Einspielen vor einem Konzert genug Zeit einzuräumen. Sie hat während dieser Ausbildung aber auch gelernt, sich stets zu hinterfragen und sich selbst mit allen Stärken und Schwächen gut zu kennen.

Was man jedoch erst später im Verein lernt: Sich selbst treu zu bleiben und sich nicht zu verstellen, um anderen zu gefallen. Den Jungen fällt es nicht immer einfach, ihre Authentizität zu behalten. Im Verein ist es für Kerstin Schnyder zudem sehr wichtig, differenziert zu arbeiten. Das bedeutet, den Musikantinnen und Musikanten auf ihrem Niveau zu begegnen – also einerseits die talentierten Bläser zu fordern und zu fördern und andererseits auch jenen mit mehr Schwierigkeiten verständnisvoll entgegenzukommen.

Wie viel darf man fordern?

Den Puls des Vereins zu spüren ist Kerstin Schnyder sehr wichtig. Weniger angenehm findet sie es, wenn man als Dirigent langfristig hohe Absenzenraten oder minimalen Aufwand hinnehmen muss.

Bisher hatte sie damit aber wenig Probleme und konnte erfolgreich die Vereine von Erschmatt, Greyerz und zuletzt Romont leiten. Ab März legt sie vorläufig eine Pause im Dirigieren ein. Schnyder ist aber weiterhin «sehr motiviert», zu dirigieren, und offen für neue Abenteuer. Sie engagiert sich neben dem Dirigieren im Verein als Vizepräsidentin in der Musikkommission der Vereinigung Freiburgischer Jungmusikanten und deren Musiklager und ist regelmässig, je nach Jahreszeit beinahe jedes Wochenende, für Registerproben unterwegs.

Sie bereitet also weiterhin Partituren vor – und packt dazu als erstes jeweils die Farbkiste aus. Als Nächstes liest sie die Beschreibung, bevor das sehr zeitintensive Studium der Partitur beginnt, bei dem auch die Holzmalfarben zum Zug kommen. Anschliessend folgt die Harmonieanalyse und sie prägt sich die Tempi ein. Dann geht es um die gestische Arbeit: Kerstin Schnyder überlegt sich, wie sie ihre musikalischen Vorstellungen gestisch darstellen will und übt vor dem Spiegel, oder sie filmt sich dabei.

Lebenselixier Projekte

Antrieb in der musikalischen Arbeit geben ihr vor allem Projekte. Kerstin Schnyder schwärmt von der Innovation – denn das ist es, was das Musizieren im Verein so reizvoll macht. So hat sie trotz coronabedingtem Unterbruch mit ihrem Verein ein 72-Stunden-Projekt realisiert – 72 Stunden vom Verteilen der Musiknoten bis zur Eröffnung des Konzerts. Vergangenen Dezember hat ihr Verein mit zwei Chören eine Messe aufgeführt. Und im März folgt nun das Projekt «Musique et spectacle», bei dem die Mitglieder auch als Schauspielerinnen und Schauspieler auftreten. Sie sagt selbst, sie habe viele Ideen im Kopf, jeder Vorschlag müsse jedoch auch immer zum entsprechenden Verein passen.

Porträt von Kerstin Schnyder, die den Taktstock in der Hand hält
Den Puls des Vereins zu spüren und gemeinsam in die gleiche Richtung zu ziehen ist für Kerstin Schnyder sehr wichtig.

Persönliches

Alter
27
Instrumente
Klarinette und Cornet
Motto
Egal ob Mann oder Frau, der Taktstock hat in jeder kompetenten Hand Platz.
Tipp
Gute Vorbereitung und Herzblut
Eine Dirigentin muss …
… kritikfähig, kreativ und authentisch sein.

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