Der Maestro und die Magie des Moments

Porträt Carlo Balmelli beim Dirigieren
Das Dirigieren hat den Tessiner Carlo Balmelli (*1969) schon früh fasziniert. Bereits seit 1988 ist er in seiner Heimat als Blasmusikdirigent tätig und engagierte sich auch in der Musikkommission des Tessiner Blasmusikverbands. Seit 1992 dirigiert er die «Civica Filarmonica di Mendrisio» und ist damit, wie auch mit seiner Tätigkeit als Musikschulleiter und Posaunenlehrer, nach wie vor fest mit seinem Heimatkanton verbunden.

Sein Studium in den Fächern Posaune und Orchesterleitung absolvierte er in Bern, das Diplom in Blasmusikdirektion erwarb er dann in Luzern in der Klasse von Josef Gnos.

Auf seine Studienzeit blickt Carlo Balmelli mit immer noch spürbarer Begeisterung zurück. Allerdings bedauert er sehr, dass dem Klavierspiel im Kapellmeister-Studium ein derart grosses Gewicht verliehen wurde, dass es für ihn als Nichtpianisten problematisch wurde, den Ansprüchen zu genügen.

Dass er schon während des Studiums über reichhaltige Dirigierpraxis verfügte, betrachtet er rückwirkend als grossen Vorteil und eminent wichtig auch für heutige Studierende.

Wie Musik entsteht

Carlo Balmelli liebt die Herausforderung, mit der heterogenen Zusammensetzung eines Amateur-Blasorchesters und der Vielfalt der menschlichen Charaktere der Mitglieder zu arbeiten. Er vergleicht seine Arbeit als Dirigent mit derjenigen von bildenden Künstlern: So wie ein Bildhauer einen Marmorblock oder eine Kunstmalerin eine weisse Leinwand vor sich hat, beginnt er zusammen mit der Partitur und dem Orchester ein neues Werk zu kreieren.

Zu Beginn der Probenarbeit konzentriert er sich auf die formal grossen Teile, auf die Hauptthemen und die prägende Harmonik. So kann er bei allen Ausführenden nach und nach das Verständnis für das Stück wecken: Alle müssen wissen, worum es geht. Die Partituren sind in der Regel vorbereitet und analysiert, wenn er zum ersten Mal vor das Orchester tritt.

Mit der Idee im Kopf gilt es nun, bildlich gesprochen, aus dem unbehauenen Gesteinsbrocken, der ihm beim Blattlesen entgegenrollt, in den kommenden Wochen und Monaten eine plastische, filigrane Musikskulptur zu formen.

Carlo Balmelli arbeitet an jeder Probe mit der Besetzung, die er vorfindet. Er bereitet seine Proben nie minuziös, quasi drehbuchmässig vor, sondern reagiert spontan auf Besetzung, Atmosphäre und den Probenverlauf. Zum Einspielen wird das Choralspiel gepflegt.

Musikalische Vielfalt

Balmellis Programmen liegen meist ein oder zwei Hauptwerke zugrunde. Um diesen Kern gruppiert er in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Musikkommissionen weitere geeignete Stücke, damit schliesslich ein kohärentes Programm vorliegt. Auffallend ist auch die Vielseitigkeit der Projekte seiner Vereine: Musical-, Operetten- und Opernaufführungen gehören genauso dazu wie die Teilnahme an Wettbewerben.

Der Maestro freut sich besonders auf die diesjährige Teilnahme am «Lucerne Symphonic Wind Band Contest» und am «World Band Festival» im KKL mit der Stadtharmonie Zürich Oerlikon-Seebach, auf das Musicalprojekt «My Fair Lady» 2024 mit der Konkordia Egerkingen und auf die Uraufführung von Thomas Trachsels Oper «Maddalena» mit Mendrisio diesen November in Lugano.

Die Magie des Moments

Der Bildhauer kann seine Skulptur anfassen und betrachten, die Kunstmalerin ihr Bild anschauen. In der flüchtigen Kunst der Musik gibt es für Carlo Balmelli den einen Moment der Verdichtung und der Erfahrbarmachung der Geheimnisse der Livemusik: den Moment zwischen dem Verklingen des Schlussakkords und dem Applaus!

Mögen wir ihm und seiner Zuhörerschaft noch viele solcher magischen Momente gönnen!

Persönliches

Mein «Motto»
Am Ende muss Qualität da sein.

Mein «Kummerkasten»
Nachwuchsproblematik und Halten des Niveaus in der Blasmusik.

Tipp für Kolleginnen und Kollegen
Immer interessiert sein, was rundherum läuft, immer am Ball bleiben, sich immer kritisch beurteilen lassen.

Ergänze
Ein Dirigent muss menschlich führen können und die verschiedenen Persönlichkeiten vereinen.

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