Das Thema «Nachwuchsförderung» steht bei Blasmusikvereinen weit oben auf der Prioritätenliste. Die Herausforderungen sind überall dieselben: Wie, wo und womit anfangen? Die Gründer der music4kids GmbH Doris Stingl und Gregory Heiniger wissen, was in Sachen Nachwuchsförderung zu tun ist. «Unisono» hat mit den beiden gesprochen.
Zeitliche Einschränkungen, unklare Zuständigkeiten und begrenzte Ressourcen lassen die Nachwuchsförderung schnell zum organisatorischen Mammutprojekt anwachsen. Und viel Nachwuchspotential, das dringend benötigt würde, liegt brach. Die gute Nachricht: Es gibt unzählige attraktive Lösungen und Ideen, die sehr gut funktionieren.
Massgeschneiderte Werkzeuge
Damit nicht jeder Verein das Rad neu erfinden muss, haben Doris Stingl und Gregory Heiniger diese Ideen mit music4kids GmbH gesammelt. Gemeinsam mit Expertinnen wie beispielsweise der Komponistin Evi Güdel-Tanner oder der Kinderbuchillustratorin Kathrin Schaerer haben sie diese konzeptionell ausgearbeitet, praktisch erprobt und bieten die Lösungen nun in pfannenfertiger Form an.
Ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts ist das erste Kinderkonzert «Più lernt das Orchester kennen». Das Kinderkonzert soll das Dorf oder die Stadt zum Musikmachen bewegen und ist konsequent auf die Kids ausgerichtet. Mit Musikstücken, welche die Kinder ansprechen und begeistern. Diese sind Fixfertig komponiert und für alle Besetzungen gesetzt.
Doris und Gregory, mit welchen Zielen habt ihr das Kinderkonzert entwickelt?
Das Kinderkonzert ist einfach und flexibel in der Anwendung, bindet alle entscheidenden Akteure ein (Verein, Jugendmusik, Musikschule, Volksschule). Es ist kostengünstig und wiederverwendbar unabhängig von Ort, Verein und Sprache – genau auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten.
Wieso braucht es braucht es die freche musikalische Geiss Più?
Das einzigartige Maskottchen steht im Zentrum. Es begleitet die jungen Musikerinnen und Musiker auf ihrem musikalischen Weg und motiviert sie zum Musikmachen.
Wieso braucht es «music4kids»?
Weil es ohne strukturierte, zielgerichtete und bezahlbare Nachwuchsförderung irgendwann keine Blasmusik mehr gibt. Viele Verbände, Vereine und Trägerschaften haben das verstanden und sind bewundernswert kreativ und aktiv. Aber der grössere Teil scheint nicht so recht zu wissen, wie weiter. Aus unserer Sicht liegt das nicht am Nicht-Wollen, sondern an mangelnden Ressourcen und Ideen.
Wo seht ihr die grösste Hürde bei der Nachwuchsförderung?
Eindeutig bei den Ressourcen: Nachwuchsförderung braucht Personal, Geld und vor allem Zeit. Also genau das, was in den Vereinen meistens Mangelware ist. Dennoch stellen wir fest, dass viel Potential brach liegt: Jüngere Vereinsmitglieder sind häufig motiviert, etwas zu reissen und haben auch Ideen. Zudem haben sie meistens auch Kapazität, um sich während einiger Jahre um ein konkretes Projekt zu kümmern. Dafür benötigen sie einen klaren Auftrag und das Vertrauen der Vereinsleitung.
Könnt ihr konkrete, auf die Ressourcen bezogene Beispiele nennen?
- Personal: Es braucht Personen, die bereit sind, über mehrere Jahre ein hochgestecktes Ziel zu verfolgen, beispielsweise «Wir möchten in 5 Jahren eine 20-köpfige Nachwuchsband haben.»
- Geld: «Wir schaffen es, dass alle Instrumente der Nachwuchsband von einem Sponsor beschafft und unterhalten werden.»
- Zeit: Das Ziel kann nicht innert 2–3 Monaten erreicht werden. Der Weg zum Ziel ist sehr aufwändig, setzt ein beharrliches Engagement voraus und dauert meistens mehrere Jahre.
Da kommt ihr mit «music4kids» ins Spiel.
Genau. Man kann viel Zeit und Geld sparen, wenn die motivierten Nachwuchsförderpersonen nicht alles von Grund auf erarbeiten müssen. Wir unterstützen mit unserer externen Sichtweise, und unsere modular aufgebauten Konzepte entlasten die Detail- und Entwicklungsarbeit der Vereine.
Woher habt ihr euer Know-how?
Wir sind beide seit vielen Jahren ehrenamtlich in Musikvereinen engagiert. Unsere beiden Nachwuchsorchester der Stadtmusik Biel, genannt «JUBIS A und B», waren und sind unsere Referenz. Der Bestand von 35 Jugendlichen mit steigender Tendenz ist sehr erfreulich. Davon treten pro Jahr 2 bis 4 in die Stadtmusik über. Diese wiederum spielt in der 1. Stärkeklasse Harmonie und besteht aus 55 passionierten Musikerinnen und Musikern.
Was für Erfahrungen habt ihr dabei gesammelt?
Wie spricht man Jugendliche an? Wie organisiert man den Nachwuchsverein? Wie koordiniert man die Zusammenarbeit mit dem Erwachsenenverein? Wie gestalten wir die Kooperation mit den Musik- und Volksschulen? Welche Anlässe funktionieren, welche weniger gut? Wie bindet man die Eltern der Kids ein? Wo findet man finanzielle Unterstützung? Diese Erfolgsstory möchten wir mit «music4kids» auf möglichst viele weitere Vereine projizieren.
Macht ihr diese Arbeit hauptberuflich?
Nein, es ist unsere Passion, die wir mit der Gründung von music4kids GmbH in Teilzeit zum Beruf gemacht haben. Mit unseren Coachings wollen wir Vereinen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Gemeinsam suchen wir modular aufgebaute, auf sie zugeschnittene Lösungen – quasi von Blasmusikerinnen für Blasmusiker.
Wie kann eure Unterstützung eines Musikvereins konkret aussehen?
Wir machen als erstes eine Bestandesaufnahme: Gemeinsam schauen wir den Verein als Ganzes an, holen die Mitglieder ab, fragen nach Zielen und wo der Schuh drückt. Unter Berücksichtigung der Altersstruktur des Vereins analysieren wir so gemeinsam die «Baustellen».
Anschliessend erarbeiten wir einen Massnahmenkatalog und definieren die individuell auf die Bedürfnisse des Vereins abgestimmten Werkzeuge. Zum Beispiel ein Kinderkonzert mit der Geiss Più. Wir geben dem Verein damit eine Struktur, die er mit Inhalt füllen kann.
Was kostet den Verein eine Bestandesaufnahme?
Für eine Bestandesaufnahme brauchen wir rund zwei Stunden. Dafür verrechnen wir 200 Franken plus Spesen.
Könnt ihr bereits konkrete Resultate vorweisen?
Wir haben diesen Herbst in Biel erfolgreich mit dem ersten Kinderkonzert «Più lernt das Orchester kennen» gestartet. Die Kinder waren am Anlass mit unglaublicher und vor allem lauter Begeisterung dabei und auch Wochen später fragen sie noch immer: «Wann kommt Più wieder?»
Der überwältigende Erfolg beweist uns, dass die Kinder mit den richtigen und effektiven Mitteln gezielt angesprochen und für das Musikmachen motiviert werden können. Dies zeigt sich auch am erfreulichen Zuwachs des Bieler Nachwuchsvereins und der Musikschule.
Wie viele Kinder waren dabei?
Über 700 begeisterte Kinder haben an drei Konzerten an einem Tag teilgenommen. Diese Uraufführung wurde durch die enge Zusammenarbeit mit der Musikschule, der Stadtmusik Biel und den Nachwuchsbands JUBIS A und B ermöglicht.
Nach dem Konzert hatten alle teilnehmenden Kinder die Möglichkeit, Instrumente auszuprobieren, sich mit den Musiklehrpersonen auszutauschen und «Più» kennenzulernen.
Wie geht es nach dem Kinderkonzert weiter?
Dranbleiben und weiterführende Massnahmen ergreifen. Mindestens einmal pro Jahr sollte ein Anlass zur Nachwuchsförderung organisiert werden. Dies muss kein Kinderkonzert sein. Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten wie ein Ferienpass-Angebot, eine Bläserklasse installieren, einen Schnupper-Nachmittag mit anschliessendem Konzert gemeinsam mit der Jugendmusik etc.
Steht euer Angebot mit Più nicht in Konkurrenz mit anderen?
Im Gegenteil: Das Gesamtprojekt «Più – Die musikalische Geiss» ist als zielgerichtete Ergänzung konzipiert und bündelt die Ressourcen sinnvoll. Das Projekt bietet Ideen und einfache Werkzeuge, die von Musikvereinen und Musikschulen nahtlos in ihre bestehenden Programme integriert werden können. So wird gemeinsam in noch mehr Kindern und Jugendlichen die Freude an der Blasmusik geweckt. Und das ist ja schlussendlich das Ziel aller Akteure.
Habt ihr Tipps für die Leute in der Nachwuchsförderung?
Sammelt motivierte Leute um euch. Denkt langfristig und bleibt hartnäckig. Konzentriert euch auf das Wesentliche. Vernetzt euch möglichst eng mit den Eltern, Schulen und Musikschulen. Und: Lasst euch von music4kids beraten!
Über music4kids
Doris Stingl und Gregory Heiniger sind langjährige Musikliebhaber, denen die Jugendförderung am Herzen liegt. Ihre Erfahrung aus verschiedenen Vorstands- und Führungsfunktionen ermöglicht es ihnen, Lösungen anzubieten, die einfach umsetzbar und kosteneffizient sind. Sämtliche Konzepte stammen vom selben kompetenten Partner und sind exakt auf die Bedürfnisse der Kinder und Kunden zugeschnitten. Dabei arbeitet music4kids eng mit Vereinen, Schulen, Musikschulen, Orchestern und Verbänden zusammen und schafft so Synergien mit bestehenden Angeboten. Im erweiterten Team arbeiten ausgewiesene Experten aus allen relevanten Bereichen mit.