Der Dorfverein aus Oberburg BE hat in der 2. Klasse erfolgreich am Schweizer Brass Band Wettbewerb (SBBW) 2023 im KKL Luzern teilgenommen. Die «unisono»-Redaktorin hat die Emmentaler Band begleitet und den Wettbewerbstag mit allen Emotionen miterlebt.
Es ist 5.30 Uhr, als sich der Car mit den Musikantinnen und Musikanten der Musik Frohsinn Oberburg (MFO) sowie der Redaktorin in Richtung Luzern in Bewegung setzt. Die Stimmung ist trotz der frühen Morgenstunde fröhlich, erwartungsvoll und auch ein wenig angespannt, schliesslich haben die Mitfahrenden heute Grosses vor.
Frühturnen für Musiker
Das Einspielen, auf das Dirigent Jan Müller grossen Wert legt, ist bereits um 7.20 Uhr angesetzt. Pünktlich treffen wir im Einspiellokal im Pfarrheim St. Michael in Luzern ein. Rasch sind die Stühle aufgestellt und alle finden sich mit Instrumenten und Noten auf ihren Plätzen ein.
Jan Müller ist sich der ungewöhnlich frühen Einspielzeit bewusst und lässt seine Musikantinnen und Musikanten die Instrumente ablegen und sich im Raum verteilen. Zuerst wird «geturnt» – alle recken, strecken und beugen sich unter Anleitung ihres Dirigenten.
Anschliessend atmen die Mitglieder bewusst ein und aus, zuerst im Fluss, dann mit Luftanhalten dazwischen. Jetzt erst wird es Zeit, in die Instrumente zu blasen. Vom Unisono-Choral geht es bald zum Pflichtstück über und Jan hat die volle Konzentration aller Musizierenden bei sich.
Die Sinfonietta No. 1 von Marc Jeanbourquin fordert die Oberburger Musikantinnen und Musikanten, da es doch einige schwierige Übergänge und technische wie solistische Stellen zu meistern gilt. Viele Passagen lässt Jan an diesem Morgen auch sprechen, um den Ansatz zu schonen.
Eine Stunde später gilt es, die rund zehnminütige Carfahrt ins KKL zu nutzen, um nochmals «herunterzufahren», während die Anspannung bei allen spürbar steigt, was jedoch der guten Stimmung keinen Abbruch tut.
Jetzt gilt es ernst!
Der Car fährt direkt zum Musikereingang – jetzt liegt auch spürbare Nervosität in der Luft. Die letzten Vorbereitungen Backstage stehen unmittelbar bevor: Wettbewerbserprobt findet jede und jeder Einzelne – mit oder ohne persönliches Ritual – in «seinen Tunnel» und zur Konzentration, bereit, ihr oder sein Bestes abzurufen.
Es ist 9.38 Uhr, als die Mitglieder der Musik Frohsinn Oberburg die Bühne des Luzerner Saals betreten. Ich sitze mit einigen Angehörigen der Band im Publikum und wage zu behaupten, dass wir fast so nervös und angespannt sind wie die Protagonistinnen und Protagonisten auf der Bühne.
Der Pflichtstückvortrag gelingt nach meinem Musikgehör sehr gut, auch das Publikum scheint mit dem Gehörten zufrieden zu sein.
Impressionen Wettbewerbsvortrag
Emmentaler Unterstützung
Der nächste Treffpunkt ist draussen am Stand des Musikverlags Frank, hat man mir im Voraus gesagt. So ist es, ein rotes Uniformenmeer ist von weitem in Sicht. Die Musikantinnen und Musikanten sind ein wenig gespalten und können nicht so genau sagen, wo sie stehen und wie es gelaufen ist, die Akustik auf der Bühne sei schwierig gewesen, so der allgemeine Tenor. Die Anspannung nimmt spürbar ab und macht der zunehmenden Freude Platz, doch vieles auf den Punkt abgeliefert zu haben.
Die Oberburger haben kein fixes Tagesprogramm festgelegt. Wichtig ist einigen, dem Auftritt der Brass Band Emmental in der Kategorie Elite im Salle Blanche beizuwohnen. Schliesslich sind sechs Musiker Mitglied in beiden Formationen und teilen sich sowohl ihren Dirigenten, Jan Müller, als auch das Schlagwerk und das Probenlokal, die Bärenturnhalle in Oberburg.
Auf Stimmenfang
Ansonsten beschäftigen sich die Mitglieder mit dem Anhören von anderen Bands, einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, Fachsimpeln, Leute anderer Bands treffen, gute Gespräche führen, zusammen anstossen und lachen. Die Band ist auch für ihren hervorragenden Zusammenhalt untereinander bekannt.
«Es war cool heute auf der Bühne und hat Spass gemacht. Ich glaube, wir haben solid gespielt und alles gegeben, was wir können.»
Livio Sampogna spielt Cornet.
«Ich habe mich vor dem Auftritt sehr locker gefühlt, die Anspannung ist allerdings beim Platz nehmen auf der Bühne auch bei mir gestiegen. Aber es ist mir ziemlich gut gelaufen und ich bin zufrieden mit meiner Leistung. Dabei kann ich auch immer auf meinen Registerkollegen zählen. Die Akustik fand ich recht schwierig, aber das ist live und der Wettbewerb! Am Nachmittag werde ich mir einige Bands anhören.»
Fritz Heuberger, seit drei Jahren B-Tubist, hat vorher Bass-Posaune gespielt, seit 19 Jahren bei der MFO
«Seit wir jedes Jahr an den SBBW gehen, haben wir mehr Routine. Aber ich bin auch nach 45 Jahren immer noch ein wenig nervös und angespannt an Wettbewerbsvorträgen, aber das gehört dazu. Wir haben eine sehr coole Truppe, einen super Dirigenten – ‹äs fägt›!»
Martin «Flügi» Flückiger, Cornetist und seit 45 Jahren dabei, der drittälteste der Band
«Das war heute mein zweiter SBBW. Ich spürte kurz vor dem Auftritt eine Leere in mir drin, aber auf der Bühne bin ich dann sehr nervös geworden. Umso grösser war die Erleichterung nach dem Auftritt. Ich bin recht zufrieden mit mir und denke, dass wir gesamthaft eine sehr gute Leistung abgeliefert haben.»
Patrick «Pädi» Reinmann, Perkussionist, spielt auch bei Young Brassers Oberburg und findest es cool, dass der SBBW jedes Jahr stattfindet.
«Ich bin vor dem Auftritt jeweils sehr nervös. Dann ziehe ich mich zurück, gehe meine wichtigen Stellen in Gedanken nochmals durch. Sobald ich auf der Bühne bin und sehe, dass vertraute Leute im Publikum sitzen, geht es. Jetzt, nach dem Auftritt, habe ich recht gemischte Gefühle: Einerseits bin ich froh, dass es vorbei ist, andererseits ist es auch immer emotional für mich. Ich habe unseren Auftritt mega cool gefunden und die Band ist während den Vorbereitungen noch mehr zusammengewachsen. Ich freue mich nun sehr darauf, was der Tag gemeinsam mit der MFO noch bringt, und bin auf den Auftritt der BB Emmental gespannt!»
Noreen Soltermann, spielt seit rund 5 Jahren Bariton in der MFO
«Ich fand den Auftritt spannend und es ist schön, so viele Musiker an einem Ort zu sehen. Die Leistung der Band insgesamt ist recht schwer zu beurteilen, weil die Akustik für uns sehr fremd war. Die ersten Rückmeldungen aus dem Publikum sind jedoch positiv. Und ich finde unser reines Frauen-Es-Horn-Register ganz toll!»
Livia Stöckli spielt seit 2 zwei Jahren Es-Horn in der MFO und ist auch Mitglied bei den Young Brassers.
«Ich bin vor drei Jahren der Liebe wegen von Holland in die Schweiz gekommen und spiele seit rund einem Jahr bei der MFO. Es gefällt mir sehr, sehr gut in der Band, die Leute sind offen und freuen sich, dass ich dabei bin, und ich habe sehr viel Spass. Ich hatte heute etwas Materialstress, aber ich denke, es ist im Allgemeinen gut gelaufen, die Solos sind gelungen und wir haben mit Freude musiziert. Mir hat das Stück sehr gut gefallen.»
Willy Hooijsma spielt seit einem Jahr Es-Horn in der MFO
«Mir persönlich ist es ziemlich gut gelaufen, aber ich habe das Gefühl, dass wir zwar hart gearbeitet haben, aber unser Auftritt nicht so relaxt war und der Flow ein wenig gefehlt hat. Deshalb konnte ich unsere Performance auch nicht so geniessen. Alles in allem ist es aber nicht schlecht gelaufen. Ich komme aus der Ostschweiz und habe auch einmal in Genf gewohnt und gespielt. Ich freue mich, diese Leute heute wiederzusehen und mich mit ihnen zu unterhalten.»
Sara Rellstab gehört ebenfalls seit einem Jahr zum legendären Es-Horn-Register und hat soeben ihren zweiten SBBW mit der MFO gespielt.
«Meine Eindrücke vom Auftritt sind ein wenig durchzogen: Es gab Stellen, da fühlte ich mich wie an der Probe und andere, bei denen ich eher mit angezogener Handbremse gespielt habe. Aber es gab auch eine Stelle, bei der ich das Gefühl hatte, dass sie noch nie so gut gelaufen ist. Ich finde es schwierig, die Leistung der MFO insgesamt einzuschätzen – vor allem weil es akustisch eine Herausforderung war. Ich glaube, sie war grundsätzlich solid, aber ich hatte das Gefühl, dass die gesamte Band mit angezogener Handbremse unterwegs war. Heute werde ich noch Bands anhören und mit den MFO-lern geniessen. Weiter ist der SBBW für mich ein Treffpunkt, an dem ich viele Leute sehe, die ich einmal im Jahr am SBBW treffe. Auf das freue ich mich.»
Christine Salzmann spielt seit mehr als 30 Jahren Bariton in der MFO. Sie hat beim legendären, aber leider verstorbenen Marschkomponisten Fritz Rickli ihre Ausbildung durchlaufen.
Trotz dem Getümmel scheint die Brassband-Szene eine grosse Familie zu sein. Auch die Redaktorin, die als Saxofonistin in der Harmoniemusik zuhause ist, fühlt sich wohl und gut aufgehoben.
Die Belohnung für eine hervorragende Leistung
Die Zeit vergeht wie im Flug und bald schon zeigt die Uhr kurz vor 22 Uhr. Zeit, sich für die Rangverkündigung in den Luzerner Saal zu begeben. Nun steigt die Spannung bei den Oberburgern nochmals sichtlich an, schliesslich möchten sie ihre Erwartungen erfüllt sehen und mindestens den sechsten Rang belegen.
Die Musik Frohsinn Oberburg hat abgeliefert, und wie: Sie erreicht bei ihrer erst zweiten Teilnahme in der zweiten Klasse denn dritten Podestplatz – herzliche Gratulation an dieser Stelle.
Einen kleinen Wehmutstropfen gibt es dann doch noch: Die Klassierung der Brass Band Emmental sorgt für enttäuschte Gesichter. Dennoch darf die Musik Frohsinn Oberburg stolz sein auf ihre grossartige Leistung und hat dies auch noch gebührend gefeiert.
Zur Rangliste
Musik Frohsinn Oberburg
In der 1892 gegründeten MFO spielen rund 35 Mitglieder, von den ganz Jungen, die in diesem Jahr erstmals am SBBW dabei sind, bis zu den erfahrenen Musikerinnen und Musikern. Auffallend sind die hohe Frauenquote von ca. 40 Prozent sowie die zahlreichen jungen Musikerinnen und Musiker, die in der Formation mitspielen.
Die Brass Band, grundsätzlich ein ganz normaler Emmentaler Dorfverein, versucht sich immer wieder an neuem – so hat sie beispielsweise den Emmental March Contest erfolgreich ins Leben gerufen und etabliert. Zudem steht die Teilnahme am SBBW fix im Jahresprogramm.
Mehr: musikfrohsinn.ch