Im Februar hat Arsène Duc, der frischgebackene Gewinner des Stephan-Jaeggi-Preises, «seine» Fanfare Ancienne Cécilia zu einem aussergewöhnlichen Auftritt nach Paris geführt. Die Band umrahmte dort eine Modeschau des jungen Walliser Stylisten Kévin Germanier. Rückblick auf eine besondere Erfahrung.
Letztes Jahr wurde der 32-jährige Walliser Stylist Kévin Germanier mit dem «Prix Rünzi 2023» ausgezeichnet. Der Preis wird Persönlichkeiten verliehen, die dem Wallis besondere Ehre einbringen. Bei dieser Gelegenheit äusserte er den Wunsch, während der Fashion Week in Paris eine Modeschau zu organisieren, die von der Ancienne Cécilia aus Chermignon musikalisch umrahmt wird. Als Kind besuchte Kévin Germanier die Konzerte der Band, der auch sein Grossvater und sein Onkel angehörten. Seine Mutter war Ehrendame, eine Rolle, die nun seine Schwester innehat.
Zwei Cars
Die Reise in die Stadt der Lichter begann am Montag, 26. Februar, um 5.30 Uhr, mit zwei Cars. In Begleitung der Band reisten rund zwanzig Strickerinnen (die für den Stylisten arbeiten), etwa gleich viele Begleitpersonen aus Politik und Presse und Freunde des Musikvereins.

Gut zehn Stunden später trafen die Musikerinnen und Musiker am Zielort ein und genossen einen erholsamen Abend. Beim Abendessen auf einem Schiff bewunderten sie die Lichter der französischen Hauptstadt von der Seine aus.
Outfits von Germanier, Musik von Jenkis
Der Ernst des Lebens fing am nächsten Tag an. Um 10 Uhr startete die Band mit einer Probe und einem Soundcheck im «Théâtre Libre», einem der ältesten Pariser Lokale, wo dann auch die Modeschau stattfand. Am frühen Nachmittag folgte eine Hauptprobe mit sämtlichen Beteiligten – Models, Licht- und Tontechniker sowie weiterem technischem Personal. Bei dieser Probe wurden Markierungen gesetzt und das Timing der Musik genau auf die Laufstrecke der Models abgestimmt.

Gegen Ende des Nachmittags öffnete sich der Vorhang und die Vorstellung begann mit den Klängen der «Ancienne». Das Theater war übervoll mit Modeprominenz und etwa 160 Journalisten aus aller Welt. Die in bunte, teilweise extravagante Kreationen von Kévin Germanier gekleideten Models zogen zum Allegretto aus «Palladio» vom berühmten walisischen Komponisten Karl Jenkins ein. Es handelt sich um ein Werk, dessen rhythmischer und harmonischer Charakter nahe am Ostinato einen Takt vorgibt, der sich hervorragend für den Laufsteg eignet.

Gewagte Hochzeit
Arsène Duc und die Ancienne Cécilia knüpften mit zwei Sätzen aus dem «Stabat Mater» an, einem Werk desselben Komponisten. Auch wenn die Melodien sanfter waren, achtete die Band darauf, das Tempo nicht zu variieren, da die Stabilität bei dieser Art von Show ein wesentlicher Faktor ist. Die Modeschau dauerte etwas mehr als zehn Minuten. Das mag kurz erscheinen, dennoch steckt sehr viel Arbeit dahinter. An erster Stelle stehen die Kreation und die Fertigung der präsentierten Outfits. Aber auch die Musikwahl erforderte einige Überlegungen, denn die Vermählung zweier Kunstwelten, die sich auf den ersten Blick klar zu widersprechen scheinen, war gewagt.
«Kévin und ich haben viel Zeit aufgewendet, um die Stücke zu finden, die sich am besten für diese Art von Modeschau eignen. Ich denke, dass wir auf das richtige Repertoire gesetzt haben, zumal das Resultat vom Publikum sehr geschätzt wurde», hält Arsène Duc fest. Der Walliser Dirigent ergänzt sichtlich erfreut: «Für uns war es eine äusserst bereichernde und völlig neuartige Erfahrung. Nicht zuletzt, weil wir live gespielt haben. Normalerweise bestimmen Soundtracks den Rhythmus solcher Modeschauen.»

Der Aufenthalt in Paris endete mit einem Empfang bei der Schweizer Botschaft, wo die Ancienne Cécilia insbesondere die Nationalhymne anstimmte – gewiss ein emotionaler Moment. Diese Reise wird den Musikerinnen und Musikern aus Chermignon bestimmt noch lange in Erinnerung bleiben.
Kurzbiografie von Kévin Germanier

Kévin Germanier wurde 1992 in Granges (VS) geboren und war schon von klein auf von der Mode fasziniert. Nach seiner Matura in Bildender Kunst am Lycée-Collège de la Planta setzte er seine Ausbildung am Centre de Formation Professionnelle Arts in Genf fort und studierte schliesslich an der Hochschule für Kunst und Design (HEAD) in Genf. Seine Karriere beginnt 2013, als er am Central Saint Martins College in London aufgenommen wird, einer der anspruchsvollsten Modeschulen der Welt. 2015 erreicht er den Final des Louis-Vuitton-Projekts des Londoner Instituts und gewinnt den Redress Design Award in Hongkong, der sein Engagement zugunsten der Nachhaltigkeit würdigt. Für ihn soll Mode nicht nur ästhetisch sein, sondern auch ethischen Kriterien entsprechen. Diese Anerkennung ermöglicht ihm 2015 ein sechsmonatiges Praktikum in Honglong und im darauffolgenden Jahr eine sechsmonatige Tätigkeit bei LVMH in Paris. 2018 gründet er die Marke Germanier. 2019 erreicht er den Final des Prix LVMH für junge Kreationen und wird zur Sensation bei der MET Gala in New York. 2022 wird die Germanier-Modeschau im offiziellen Kalender der Pariser Fashion Week aufgenommen. 2023 wird Kévin Germanier von LVMH als künstlerischer Leiter eingeladen, im Rahmen des Programms Life 360 Summit eine zu 100% aus Upcycling-Kreationen bestehende Modeschau zu gestalten.
Upcycling
Kévin Germanier ist ein weltweiter Begriff im Bereich des «Upcyclings». Dabei werden Materialien und Textilreste aufgewertet, indem aus wiederverwertbaren Elementen Haute-Couture-Stücke mit persönlichen Akzenten wie Federn, Schmuck und Perlen kreiert werden. In seinen Augen ist dies nicht bloss ein Marketingansatz, sondern soll uns vielmehr dazu anregen, über unser Konsumverhalten nachzudenken.