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«Bezüglich Image müssen wir uns bewegen»

Monika Schütz (l.) und Daniel Schuler (r.) am Diskutieren
Im Auftrag des Zürcher Blasmusikverbands (ZBV) hat die Agentur Interface im Rahmen des Transformationsprojekts «ZukunftBlasmusikZH» eine Umfrage durchgeführt und daraus die «Situationsanalyse Blasmusik 2023» erstellt. Warum die Resultate für die gesamte Schweizer Blasmusikszene interessant sind und welche Massnahmen daraus in der Umsetzung stehen, erfahren wir im Gespräch mit Monika Schütz und Daniel Schuler. Die beiden führen den ZBV im Co-Präsidium.

An wen wurde die Umfrage adressiert?

Monika Schütz (MS): An der Online-Befragung nahmen Mitglieder von Blasmusikvereinen im Kanton Zürich (82%) teil, Dirigentinnen und Dirigenten (12%, davon 16% weiblich), Angehörige von Musikschulen (6% Lehrpersonen), Studierende der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), Rekrut/-innen (1%) sowie Personen, die der Blasmusik auf andere Art und Weise nahestehen (z. B. dabei fliesst auch die Publikumsmeinung ein).

Daniel Schuler (DS): Weiter führte Interface 13 persönliche Interviews mit Akteuren aus der Schweizer Blasmusikszene und aus anderen Bereichen (z. B. Zürcher Turnverband, Politik und Sponsoring). Es waren auch kantonsübergreifende Kontakte dabei, die wir an einer Vorstandssitzung zusammengetragen hatten. Weiter zeigte die Umfrage, dass Personen unterschiedlichen Alters teilgenommen hatten und auch die unterschiedliche Klassierung der Vereine gut abgedeckt war.

Warum sind die kantonsinternen Umfrageresultate relevant für die ganze Schweiz?

MS: Der sehr erfreuliche Rücklauf macht die Online-Befragung repräsentativ: Insgesamt 986 Personen haben den Fragebogen ausgefüllt und dabei meistens über eine Stunde Zeit investiert. Die Analyse zeigt, dass sich viele Resultate auf Kantone übertragen lassen, deren Blasmusikwesen ähnlich aufgestellt ist wie bei uns. Sicher sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie die Altersstrukturen innerhalb der Vereine mit zu berücksichtigen. Zudem wurden die persönlichen Interviews auch mit Personen ausserhalb des Kantons geführt, was die Relevanz ebenfalls erhöht. Es ist uns wichtig, die Resultate öffentlich zugänglich zu machen, damit alle, die möchten, davon profitieren können.

Situationsanalyse Blasmusik 2023

Die Analyse ist auf zhbv.ch aufgeschaltet. Blasmusikvereine erhalten aus der Umfrage mögliche Massnahmen, Rezepte und Ideen, um Angebot und Ausrichtung anzupassen, um Mitglieder und Publikum zu gewinnen.

Zu den Umfrageergebnissen

Wie ist der ZBV darauf gekommen, dieses Transformationsprojekt zu initiieren?

MS: Wir sind von der kantonalen Fachstelle «Kultur» ermuntert worden, ein Transformationsprojekt einzugeben, da die Chance gross sei, dass das Gesuch bewilligt werde. In einem Austausch mit der Fachstelle Kultur konnten unsere Fragen zum Transformationsprojekt und Gesuch geklärt werden. Dabei wurde uns bewusst, wie spannend diese Sache für unseren Verband und unsere Szene ist.

DS: Wir wollten herausfinden, wie wir den Mitglieder- und Publikumsschwund in der Zürcher Blasmusikszene bremsen können. Ausserdem war der finanzielle Aspekt sehr interessant: 20 % der Kosten trägt der ZBV, die restlichen 80 % werden hälftig vom Bund und Kanton Zürich übernommen. Das ist insofern nicht selbstverständlich, weil es auch Kantone gibt, welche die Kosten nicht mittragen.

Wie wird das Image der Blasmusik laut Umfrage eingeschätzt?

DS: Einerseits schlagen traditionell, alt und verstaubt aus, aber andererseits wird die Blasmusik als zugänglich, sympathisch und publikumsorientiert wahrgenommen.

MS: Es kam auch zum Ausdruck, dass wir viel zu wenig präsent sind und unsere (musikalische) Vielfältigkeit kaum wahrgenommen wird. Dies hat auch mit der Medienlandschaft zu tun. Presseartikel sind heute schwierig zu platzieren. Zudem ist es heute ein Muss, sich mit Social Media zu vermarkten. Zum Image gehört auch unser optisches und musikalisches Auftreten – was wir tragen, wie wir klingen und was wir spielen.

Was will der ZBV tun, um das Image zu stärken?

MS: Bezüglich Image müssen wir uns bewegen und das wollen wir auch! Wir verstehen dies als Auftrag, wollen als Verband vorausgehen und setzen uns deshalb auch im Vorstand mit den – gemäss Umfrage – handlungsbedürftigen Themen auseinander, um zeitgemässere Formen zu finden. Was wir vorleben, wird für die Vereine einfacher umsetzbar.

Was für Punkte sind genannt worden, um bei Blasmusikevents ein grösseres Publikum anzuziehen?

MS: Zielgruppenorientierte Werbung auf Print- wie Online-Kanälen. Motto-Konzerte oder Durchführung der Anlässe an besonderen Orten sowie Crossover-Events mit anderen Genres (z. B. Rock- und Popmusik).

Harmoniemusik Wald bei einem Auftritt
Mit Auftritten an den «Bleiche Sessions» geht die Harmoniemusik Wald neue (Konzert-)Wege.

Wie kann das Vereinsleben wieder attraktiver gemacht werden?

MS: Wir können vieles selber beeinflussen, aber beim Vereinsleben ist es schwierig, weil dieses vom Gesellschaftswandel beeinflusst wird. Man merkt, dass die Leute eine hohe Arbeitsbelastung haben und deshalb lieber weniger aufwändige Freizeitbeschäftigung betreiben möchten. Wenn wir die Mitglieder behalten wollen, müssen wir zurückbuchstabieren – nach dem Motto «weniger ist mehr». Ballast abwerfen und herausfinden, was für welchen Verein wichtig ist – es müssen nicht alle Vereine, alles machen! Wichtig ist auch, sich klar zu positionieren, um einfacher Leute zu finden.

DS: Zum Beispiel Projektmusizieren, längere Pausen, gezielte Kammermusik-Sequenzen einbauen, das Tätigkeitsprogramm überarbeiten und auch mal den Mut haben, eine Anfrage abzusagen. Dies braucht Überwindung, ist jedoch nötig, um weiterzukommen.

Gesamtfoto Musikverein Harmonie Altstetten
Der Musikverein Harmonie Altstetten modernisiert mit dem Pilotprojekt sein Vereinsmanagement.

Wie ist die Zufriedenheit gegenüber den Verbandsdienstleistungen, was ist für die Vereine von Nutzen?

MS: Grundsätzlich sind sie zufrieden. Sie kennen unsere Dienstleistungen und finden, dass wir eine gute Arbeit machen. Die Themen der jährlichen Jugendfachtagungen überzeugen. Knapp die Hälfte der Teilnehmenden kennt auch unser Bildungsprogramm. 64% kennen den Newsletter und lesen ihn gerne. 82% kennen die Verbandswebseite und nutzen sie regelmässig, um sich zu informieren.

DS: Allerdings bräuchte sie nach zehn Jahren mal einen Refresh. In letzter Zeit kommt es auch öfters vor, dass Vereine mit ihren internen Herausforderungen auf uns zukommen und um Unterstützung bitten, z. B. bei Verhandlungen mit der Dirigierperson. Dort stehen wir noch am Anfang und versuchen, in neutraler Vermittlerrolle zu unterstützen. Thema waren auch Anlässe wie unsere DV, Veteranenehrungen und Regionalmusiktage.

Wie geht es nun weiter, wie werden die Umfrageergebnisse in Massnahmen umgesetzt?

DS: Der Verbandsvorstand hat an seiner Klausurtagung Mitte August die Umsetzung von vier Massnahmen eingeleitet, um die Wahrnehmung der Blasmusik im Kanton zu stärken. Dazu gehören eine Image-Kampagne, das Überdenken von Ritualen, Lobbying und Interessenvertretung sowie Ausbau und Anpassung des Weiterbildungsangebots.

In den Projektzielen ist auch die Umsetzung von Massnahmen durch Pilotvereine definiert. Wie ist da der Stand?

MS: Sechs Vereine sind inzwischen an der Umsetzung ihrer Pilotprojekte zu den Themen zeitgemässes Kommunikationskonzept, Crossover-Projekt, Überdenken von Ritualen und innovatives Vereinsmanagement.

Gruppenfoto der Harmonie Kilchberg
Die Harmonie Kilchberg wird im Rahmen der Transformation ein neues Kommunikationskonzept erarbeiten und plant neue Formate für ihre Auftritte.

Wie wurden die Vereine angefragt?

MS: Wir haben den Aufruf nur an der DV und via Newsletter kommuniziert und die Vereine haben sich selbst gemeldet. Erfreulicherweise wollten sogar sechs Vereine die Chance für sich packen, anstatt der in den Projektzielen festgelegten vier.

DS: Toll ist auch, dass es von der Stärkeklasse und auch den Traditionen her total unterschiedliche Vereine sind, die sich gemeldet haben.

Details Verbandsmassnahmen

1. Image-Kampagne

Professionelle Marketing- und Image-Kampagne zur zeitgemässen und vielfältigen Präsentation, um die Wirkung der Blasmusik nach aussen zu verstärken.

  • Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur
  • Kreativ-Workshop
  • Zürcher Kantonalmusikfest 2024 als Höhepunkt
  • Nachhaltigkeit in Folgeprojekten beachten
  • Regelmässige Berichterstattung im Kanton, um die Sichtbarkeit zu erhöhen (inkl. Social Media)

2. Überdenken der Rituale

Sinnhaftigkeit, Identitätsstiftung und Aussenwirkung von Traditionen und Ritualen überdenken und sanft reformieren.

  • Workshop in den Verbandsregionen zum Thema «Attraktivität und Reformbedarf von Veteranenehrungen, Veteranentag, Musikantentreffen und Musiktagen»
  • Tenü des ZBV-Vorstands überdenken und den Anlässen anpassen, Tendenz: weg von der Uniform hin zu «Tenue légère»
  • Setting der Delegiertenversammlung überdenken, um mehr Vereine für die Teilnahme zu gewinnen

3. Lobbying und Interessenvertretung

Strategie für die Zusammenarbeit in der Interessenvertretung mit
anderen Verbänden des Kantons (ZH) in den Bereichen Politik, PH,
Volksschule und Musikschulen ausarbeiten.

  • Interessen der (Blas-)Musik stärken (gemeinsam mit anderen (Blas-)Musikverbänden
  • Freiwilligenarbeit und Vereinswesen stärken (mit anderen Vereinsverbänden)
  • Netzwerk pflegen: bestehende Kontakte aufrechterhalten, aktive Rolle einnehmen
  • neue Medienpartnerschaften aufbauen und die Sichtbarkeit im Kanton stärken
  • Klassenmusizieren auf allen Ebenen voranbringen
  • Sich für gute Infrastruktur einsetzen (fehlende Probe- und Konzertlokalitäten, hohe Kosten)

4. Ausbau und Anpassung Weiterbildungsangebot

Weiterbildung für Dirigierende neu andenken (auch für Interessierte ohne Blasmusikkontext), Workshop-Angebot neu ausrichten, Austauschplattformen für Best Practice bieten

  • Dirigierkurse: Anschlusslösung an Oberstufenkurs, J+M Leiter-Ausbildung integrieren, engere Zusammenarbeit mit BDV
  • Workshop-Angebot: Themen nach Bedürfnissen wie Moderation, Umgang mit Behörden/Lobbying, neue Konzertformate, Pilotversuch mit einem ZBV-Workshop-Tag, Online-Treffen zu aktuellen Themen und Best Practice

Projekte Pilotvereine

Harmoniemusik Wald

Crossover-Projekt «Bleiche Sessions»

  • Neue Kooperationen und Auftrittsformate anstreben
  • Erste Umsetzung an den «Bleiche Sessions» 2023 gelungen
  • Ziel, die Auftritte in den nächsten Jahren fortzusetzen

Stadtmusik Winterthur

Innovatives Vereinsmanagement

  • Rücktritt des langjährigen Präsidenten
  • Führungsstruktur überarbeiten und den aktuellen Bedürfnissen des Vereins anpassen
  • Unterstützung durch professionelles Coaching

Schützen-Spiel UOG Zürich

Überdenken der Rituale

  • Militäruniform ist altmodisch, neues, anderes Tenue gefragt
  • Umgestaltung des Vorstands nach Rücktritt des langjährigen Präsidenten
  • Plan ist ein teambasiertes Co-Präsidium
  • Flexibilisierung des musikalischen Engagements (mehr Pausen)

Harmonie Kilchberg

Konzerte im öffentlichen Raum und Kommunikationskonzept

  • Neue Auftritte ausserhalb Gemeinde – z. B. mit anderen Vereinen und Institutionen
  • Zeitgemässe interne und externe Kommunikation mittels Website, Social Media, Newsletter, unterstützt durch Fachperson

Musikverein Harmonie Altstetten

Innovatives Vereinsmanagement

  • Vorstandsstruktur in Richtung teambasiertem Vereinsmanagement verändern
  • Dadurch Besetzungsprobleme von Vorstandsämtern entschärfen
  • Modernisierung unter Einbezug des Nachwuchses
  • Anschaffung neuer Organisations-Software

Stadtmusik Dietikon

Überdenken der Rituale

  • neue Planung für drei Jahre
  • Flexibilisierung des musikalischen Engagements
  • Schärfung des Vereinsprofils
  • Ausbruch aus dem gewohnten Muster
  • Mehr Vielfalt, mehr und anderes Publikum erreichen
  • Attraktivität des Vereins steigern

Die beiden Interviewpartner stellen sich vor

NameDaniel SchulerMonika Schütz
Funktion ZBVCo-Präsident KaufmännischesCo-Präsidentin Musik
BerufKaufmännischer Angestellter, tätig als Firmenkundenbetreuer bei der Zürcher KantonalbankMusikerin; Dirigentin und Musikpädagogin (Klarinette), gibt auch Dirigierunterricht
InstrumentEuphoniumKlarinette inkl. Es- und Bassklarinette
Musikalische EngagementsSeit über 20 Jahren Aktivmitglied bei der Stadtmusik Kloten, inzwischen auch Ehrenmitglied, viele Jahre im Vorstand aktiv als Leiter Finanzen und Vizepräsident, aktuell: künstlerische PauseDirigentin bei der Stadtmusik und der Stadtjugendmusik Illnau-Effretikon, Klarinettenlehrerin bei der Jugendmusikschule Winterthur, Kursleitung Dirigierkurse ZBV, Freelance-Jobs als Jurorin und Moderatorin
Warum setzt du dich für die Blasmusik ein?Die Blasmusik ist für mich ein Hobby über alle Generationen, für das es sich lohnt, sich zu engagieren, das etwas «angestaubte» Image zu verbessern, lieb gewonnene Traditionen sanft zu erneuern und dem heutigen Zeitgeist anzupassen, selbst gespielte Musik in den Schulen zu verbreiten, trotz der allgegenwärtigen Digitalisierung.Weil es ein tolles, generationsübergreifendes Hobby ist und die Musikvereine einen wichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Beitrag in Stadt und Dorf leisten.
Was lehrt uns der Musikverein?Gemeinschaft über alle Generationen hinweg: sich in eine Gruppe einzufügen, sich auch mal unterzuordnen aber auch in einem Solo zu glänzen. Es gibt keine Ersatzbank, jeder kann (immer) mitspielen.Geduld und Ausdauer. Im Verein ist viel Organisationskompetenz und Kreativität vorhanden.
Hobbys nebst der Musik?Reisen, Kulinarik und Weltgeschehen allgemeinKochen, Konzerte hören, Politik
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