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«Die Dirigierausbildung ist mir ein grosses Anliegen»

Rolf Schumacher beim Dirigieren des Jubiläumskonzerts «40 Jahre SIBO» im Casino Bern, 2019
Am 14. September 2024 durfte Rolf Schumacher im Rahmen des Herbstkonzerts «seines» Sinfonischen Blasorchesters Bern (SIBO) den Stephan-Jaeggi-Preis entgegennehmen. Im Interview lernen wir einen sehr bescheidenen stillen Schaffer kennen, der seit vielen Jahren in der nationalen und internationalen Blasmusikszene wirkt und diese besonders in der Schweiz massgeblich geprägt hat.

Herzliche Gratulation, Rolf Schumacher. Was bedeutet es dir, Stephan-Jaeggi-Preisträger 2024 zu sein?

Sehr viel. Umso mehr, als ich während meiner Tätigkeit in der SBV-Musikkommission selbst Preisträger vorschlagen durfte und auch einige Jahre im Stiftungsrat der Schweizer Musikanten «In Memoriam Stephan Jaeggi» war. Ich hatte es nicht erwartet und es ist eine grosse Ehre.

Rolf Schumacher mit der Stephan-Jaeggi-Urkunde Foto: Peter Zoss
«Ich freue mich sehr, nun selbst Stephan-Jaeggi-Preisträger zu sein», sagt Rolf Schumacher.

Vielleicht kennen dich nicht alle Leserinnen und Leser. Erzähle von dir.

Musikalisch bin ich in der Jugendmusik Bern-Bümpliz (damals noch Knabenmusik Bümpliz) gross geworden, wo ich Euphonium spielte. Mein Vater war Dirigent eines Posaunenchors. Später studierte ich am «Konsi» Luzern Blasmusikdirektion mit Nebenfach Posaune. Euphonium war damals noch nicht möglich. Im Militär war ich im Spiel, absolvierte die Unteroffiziersschule und machte meine Diensttage später als Musikoffizier – inspiriert von diversen Vorgesetzten, darunter Dr. Ewald Körner, erster Kapellmeister am Stadttheater Bern. Bei ihm hatte ich vier Jahre Dirigierunterricht.

Für das Preisträgerkonzert mit dem SIBO hast du ein interessantes Programm zusammengestellt.

Nachdem klar war, dass ich den Stephan-Jaeggi-Preis erhalte, habe ich das Programm umgestellt. Einerseits wünschte die Stiftung, dass ein Werk von Stephan Jaeggi gespielt wird – ich wählte die Tondichtung «Engiadina», arrangiert von Tony Kurmann –, und andererseits suchte ich bewusst eher ältere Werke von Schweizer Komponisten aus.

Hast du eine besondere Beziehung zum Werk AGE – Suite symphonique?

Ja. Die Landwehr Fribourg spielte AGE im Kursaal Bern, als ich 21 war. Das Werk faszinierte mich schon damals. Übrigens stand die Formation an diesem Konzert noch unter der Leitung von Jean Balissat selbst.

Wie kam es 1979 zur Gründung des Sinfonischen Blasorchesters Bern (SIBO)?

Von der Jugendmusik und vom Militär kannte ich viele Leute. Das Ad-hoc-Blasorchester Bern haben wir gegründet, um weiterhin zusammen musizieren zu können. Zehn Jahre lang haben wir jedes Jahr in wenigen Proben ein Konzert erarbeitet. 1989 wollten wir am WMC in Kerkrade teilnehmen, doch dafür musste man einem Landesmusikverband angehören. So haben wir den Namen geändert und sind dem SBV beigetreten, reisten aber zunächst an ein Musikfestival nach Sofia, Bulgarien und erst später an den WMC.

Am Preisträgerkonzert des SIBO Foto: Peter Zoss
Gemeinsam mit seinem Dirigenten und Gründer Rolf Schumacher sorgte das SIBO für den würdigen Rahmen des Preisträgerkonzerts.

Kurzbiografie

Rolf Schumacher wuchs in Bern-Bümpliz auf und spielte in der Knabenmusik Bümpliz (heute Jugendmusik Bern-Bümpliz) Euphonium. Am Konservatorium Luzern studierte er Blasmusikdirektion. Der erste Verein, den er dirigierte, war die Musikgesellschaft Neuenegg. Er gründete das SIBO und war Mitbegründer des Jugendblasorchesters Kriens und der Jugendmusik Ostermundigen. Neben seinem Studium nahm er an zahlreichen internationalen Dirigentenseminaren teil und engagierte sich als Gastdirigent und Musikpädagoge. Seit der Gründung der Hochschule der Künste Bern (HKB) lehrte Schumacher Dirigieren. Der Fachexperte für Blasmusik engagiert sich nicht nur an Musikhochschulen, sondern bis heute auch an Musikfestivals.

  • 1979–1983: Dirigierunterricht bei Ewald Körner
  • 1979: Gründung SIBO, das er bis heute erfolgreich leitet
  • 1980–1985: Berufsstudium als Dirigent bei Albert Benz am Konservatorium Luzern
  • 1998–2016: Leitung der renommierten Feldmusik Sarnen
  • 2002–2018: Mitglied der SBV-Muko, ab 2014 als Vizepräsident
  • 2003–2024: Dozent für die Blasmusik Dirigentenausbildung an der HKB, seit 2014 als Leiter des Studiengangs «Dirigieren Blasmusik»
  • 2005–2015: künstlerische Leitung des «Jungfrau Music Festivals»
  • 2009–2015: Board Member im Vorstand von WASBE International (World Association for Symphonic Bands and Ensembles)
  • 2010–2020: Dozent in der Jurorenausbildung an der Bundesakademie in Trossingen (DE)
Collage der Konzerprogramm der FM Sarnen Foto: zVg
Rolf Schumacher war von 1998–2016 Dirigent der Feldmusik Sarnen. Die Collage zeigt die von ihm zusammengestellten Konzertprogramme.

Seit der Gründung der HKB hast du als Dozent in der Blasmusik Dirigentenausbildung gewirkt.

Als das Bolognasystem an den Hochschulen eingeführt wurde, holte mich Ludwig Wicki, um auch die «Harmonie-Seite» abzudecken. 2014 übernahm ich von ihm den Studiengang «Dirigieren Blasmusik», den wir zusammen aufgegleist hatten. Das Ziel war, dass die Studierenden dirigiertechnische Inputs von Dozierenden aus den Bereichen Brassband, Blasorchester und klassisches Orchester erhalten. Gemeinsam mit Corsin Tuor, Florian Ziemen, Philippe Bach und Gastdozierenden an Meisterkursen ist es gelungen, dieses einzigartige Angebot umzusetzen.

Von 2005 bis 2015 warst du künstlerischer Leiter des «Jungfrau Music Festivals». Was hat dieses Festival bewegt?

Es hat die Blasmusik belebt. Das Festival sprach Top-Orchester aus aller Welt an und ermöglichte spezielle Konzertprogramme. Es war international bekannter als in der Schweiz. In den Dirigier-Meisterkursen standen den Absolvierenden international bekannte Dozenten und top Musiker zur Verfügung. Das Programm bestand aus wichtigen Werken der Kammermusik, Brass Band und Blasorchester.

Was empfiehlst du einem jungen Menschen, der Dirigent/-in werden möchte?

Dirigenten sind momentan gesucht! Ich empfehle, sich möglichst vielseitig weiterzubilden. Das Dirigieren soll faszinieren und Freude bereiten. Man muss immer dranbleiben und offen sein – z. B. für Crossover-Projekte mit Ländler-Gruppen, Chören, etc., junge Menschen inspirieren und Traditionen trotzdem wahren.

Diesen Sommer wurdest du an der HKB offiziell pensioniert. Wie sieht deine Zukunft aus?

Neben der musikalischen Leitung des SIBO werde ich weiter als Experte im Einsatz sein. Im Dezember werde ich wieder vermehrt die Mid West Clinic in Chicago besuchen. Diese internationalen Band- und Orchesterkonferenzen scheinen mir äusserst wertvoll, um Kontakte zu Verlegern, Komponisten und anderen Dirigenten zu knüpfen und zu pflegen, sich weiterzubilden, neue Werke kennenzulernen. Vor dem Internet war dies mein wichtigster Ort, um Noten fürs SIBO zu beschaffen.

Rolf Schumacher anlässlich der Masterclass am Blasmusikfestival aVENTura 2023 Foto: Roger Stöckli, rsfilm.ch
Rolf Schumacher, hier an aVENTura 2023, hat sich an der HKB über 20 Jahre für das «Dirigieren Blasmusik» eingesetzt.

Was sind die nächsten Projekte des SIBO?

Das Weihnachtskonzert am 25. Dezember in der Deutschen Kirche Murten. Im Juni 2025 steht das SIBO zwei Studenten für ein Master-Abschlusskonzert zur Verfügung: Andreas Ziegelbäck (Dirigieren, Komposition an der HKB) und Lorin Augsburger (Trompeter im SIBO und Dirigierstudent an der HSLU. Im nächsten Herbst ist im Münster ein Konzert mit dem Berner Münster Kinder- und Jugendchor geplant.

Du hast die Blasmusikszene massgeblich mitgeprägt. Wo konntest du dich am meisten einbringen?

Die Dirigierausbildung war mir immer ein grosses Anliegen. Die internationalen Meisterkurse im Dirigieren am Jungfrau Music Festival waren von hohem Niveau! Analog dazu haben wir an der HKB erfolgreiche Projekte mit Dirigier- und Kompositionsstudierenden umgesetzt.

Hast du neben der Musik noch andere Interessen?

Ich bin gerne draussen in der Natur und pflege meine Bäume und Sträucher rund um mein Haus. Und ich mag das Reisen, vorwiegend in den USA und Kanada, und verbinde es meist mit der Musik und mit Besuchen bei Bekannten.

Wo steht die Blasmusik heute?

Das grosse Fundament wurde etwas schlanker, doch das Niveau ist gestiegen. Das Freizeitangebot wächst und der Durchhaltewille nimmt ab. Um Besetzungsprobleme zu lösen, können Fusionen sinnvoll sein. Der in diesem Zusammenhang verwendete Ausdruck «Gesundschrumpfen» stammt übrigens von mir. Trotzdem ist die Szene in Bewegung – es entstehen neue Formationen und innovative Ideen. Ich hoffe, dass der momentane Aufschwung in der Volksmusik auch die Blasmusik beflügelt.

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