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«Die Militärmusik eröffnet ungeahnte Möglichkeiten»

Ein Bild des Militärspiels Territorialdivison 2 am Platzkonzert in Luzern 2022
Im Gespräch mit Oberst Philipp Wagner, Kommandant des Kompetenzzentrums Militärmusik, beleuchten wir die hochkarätige musikalische Ausbildung von Musizierenden in der Schweizer Armee und finden heraus, was sie so besonders macht und wo die Herausforderungen sind. Weiter erfahren wir mehr über die Rolle der Frau im Spiel. Ausserdem erklärt Philipp Wagner den Weg in die Militärmusik. Eines vorneweg: Man muss kein Profimusiker sein, um als Militärmusiker/in in der Funktion als Trompeter, Tambour oder Schlagzeuger in der militärischen Blasmusik Fuss zu fassen.
Ein Bild von Oberst Philipp Wagner, Kommandant Kompetenzzentrum Militärmusik
Oberst Philipp Wagner, Kommandant Kompetenzzentrum Militärmusik

Philipp Wagner, wie ist das Kompetenzzentrum Militärmusik aufgebaut?

Dem Kader des Kompetenzzentrums Militärmusik gehören rund 20 Berufsleute an. Acht davon sind Berufsoffiziere (Musik-Instruktoren), die alle ein Musikstudium als Basis vorweisen. Namentlich möchte ich Oberstleutnant Philippe Monnerat und Major Aldo Werlen erwähnen. Philippe Monnerat ist als Chef Einsatz verantwortlich für die jährlich über 300 Einsätze (!) aller Musikformationen der Militärmusik, leitet den Standort Bern und ist mein Stellvertreter beim Schweizer Armeespiel. Aldo Werlen ist mein Kommandant- Stellvertreter des Kompetenzzentrums. Als Chef Schulen ist er für die Ausbildung in den Rekruten- und Kaderschulen der Militärmusik verantwortlich.

Aus wie vielen Formationen besteht die Militärmusik?

Jedes Jahr starten zwei Rekrutenschulen (RS): Im Frühling eine Brass Band und im Sommer eine Harmonieformation. Beide Orchester haben auch eine Tambourenformation. Nach der RS werden die Militärmusikerinnen und -musiker in eines der elf Truppenspiele eingeteilt, wo sie ihre Wiederholungskurse (WK) absolvieren. Fünf davon sind Brass Bands und sechs Harmonieorchester. Weiter gibt es das Schweizer Armeespiel mit dem Symphonischen Blasorchester, der Swiss Army Big Band, der Swiss Army Brass Band und der Swiss Army Central Band (Repräsentationsorchester).

Was sind die Voraussetzungen, um in ein Militärmusik-Rekrutenspiel aufgenommen zu werden?

Interessierte spielen ein Blas- oder Schlaginstrument und haben während einiger Jahre professionellen Unterricht genossen und möchten das Musizieren nun während 18 Wochen intensivieren und weiterentwickeln. Im Idealfall haben sie bereits vorher eine Leidenschaft für die Musik, den Verein und die damit verbundene Kameradschaft entwickelt. Bei mehr als 90 Prozent unserer Rekruten trifft dies zu – sie spielen in einem oder sogar mehreren Musikvereinen.

Wie geht es weiter?

Im 18. Altersjahr besuchen alle Schweizer Männer den obligatorischen Orientierungstag; Interessierte Frauen nehmen freiwillig teil. Ab diesem Moment kann man sich für die Fachprüfung, also die Aufnahmeprüfung, anmelden.

Ein Bild der Swiss Army Brass Band am Konzert, im Fokus: Gefreiter Valentin Duc
Spielt bei der Swiss Army Brass Band: Gefreiter Valentin Duc.

Wie bereiten sich potenzielle Musizierende auf die Fachprüfung vor?

Ideal ist, täglich zu üben, sich dabei von einer Lehrkraft begleitet zu lassen und ab 16 Jahren die militärischen Vorkurse zu besuchen, die in jedem Kanton angeboten werden. Diese Kurse sind keine Bedingung für die Fachprüfung. Was wird an der Fachprüfung evaluiert? Wir prüfen alle Kandidaten und Kandidatinnen auf ihrem Instrument – Selbstwahlstück, Blattleseübung, Tonleitern bis 4b und 4# – und in der Musiktheorie. Entscheidend für die Aufnahme ist die instrumentale Darbietung, Theorie und Gehörbildung sollen ein Bild über den musikalischen Background geben. Wir haben eine Ausbildungsrolle und sind somit nicht auf der Suche nach professionellen Musikerinnen und Musikern. Jährlich können rund 190 junge Männer und Frauen in den Genuss unserer umfangreichen und hochkarätigen musikalischen Aus- und Weiterbildung kommen.

Wie viele Frauen gibt es in der Militärmusik?

Im Schnitt sind es drei bis vier Frauen pro Jahr, welche die RS in der Militärmusik absolvieren. Meistens spielen sie in der Harmonieformation, selten in der Brass Band. Dies obwohl in zivilen Brass Bands immer mehr Frauen, häufig auch in Solopositionen, anzutreffen sind.

Ein Bild des Militärspiels Territorialdivison 2 am Platzkonzert in Luzern 2022 Foto: Kompetenzzentrum Militärmusik, Bern
Platzkonzert des Militärspiels Territorialdivision 2 in Luzern 2022.

Warum entscheiden Musikerinnen sich für die Militärmusik?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Eine unserer früheren Kampagnen hiess «18 Wochen Musik im Kopf». Sie trifft es auf den Punkt, denn im zivilen Leben kann man nirgends über eine so lange Zeit jeden Tag auf einem solch hohen Niveau musizieren und üben. Vielleicht auch, um herauszufinden, ob Berufsmusikerin ein möglicher Weg wäre? Eine andere Sache ist die menschliche Komponente: Die Armee ist einer der wenigen Orte, wo man fast rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, über Monate mit denselben Leuten zusammen ist. Das ist einzigartig und die Netzwerkmöglichkeiten sind nicht zu unterschätzen. Die Konzerte in allen vier Landesteilen bieten Gelegenheit, grosse Teile der Schweiz kennenzulernen. Und alle haben eines gemeinsam – sie teilen die Leidenschaft für die Musik.

Was ist bei den Militärmusikerinnen anders als bei ihren männlichen Kollegen?

Frauen haben sich ganz bewusst mit der Militärmusik auseinandergesetzt. Sie wissen, auf was sie sich einlassen und was sie erwartet. Frauen können sich gut integrieren und machen oft weiter. Der Umstand, dass Holzblasinstrumente mehrheitlich von Frauen gespielt werden, zeigt ein weitgehend ungenutztes und enormes Potenzial für die Militärmusik. Aber leider sind sich viele Musikerinnen nicht bewusst, dass ihnen die Militärmusik, als musikalische und militärische Weiterbildung, ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

Wie unterscheidet sich die Militärmusik-RS von anderen RS?

Die jungen Frauen und Männer rücken in der Kaserne Aarau im Kompetenzzentrum Militärmusik ein. Dort werden sie nebst der militärischen Grundausbildung zum Soldat, zur Soldatin gleichzeitig auf hohem Niveau musikalisch weitergebildet. Es handelt sich um einen waffenlosen Dienst, dafür erhält jede und jeder ihr, sein persönliches Instrument. In der Funktion als Militärmusiker/-in bauen wir Brücken zwischen der Armee und der Bevölkerung.

Ein Bild der Swiss Army Big Band am Miljazz Festival in Bern
Miljazz Festival mit der Swiss Army Big Band

Was erwartet die Militärmusiker/-innen musikalisch?

Eingeteilt in Leistungsgruppen nehmen sie musikalische Herausforderungen an und werden dabei in Harmonie- und Gehörbildung sowie militärischem Zeremoniell und natürlich in der Orchesterschulung ausgebildet. Musizierende proben für ein grosses Spektrum an militärischen und zivilen Auftritten, geben Konzerte, nehmen an Tattoos teil oder dirigieren als Kader sogar eine Formation. Am Ende der RS befinden sich alle Rekrutinnen und Rekruten auf einem sehr guten gesamtmusikalischen Mittelstufenlevel; gemessen an den Vorgaben des Schweizer Blasmusikverbandes.

Was macht die Militärmusik so besonders?

Die Aus- und Weiterbildung eröffnet ungeahnte Möglichkeiten: Einsätze wie Konzerte, Fahnenzeremonien und Tattoos machen die Zeit in der Militärmusik einzigartig und in Erinnerung bleibend. Zugleich bilden wir mit unseren verschiedenen Formationen die Schweizer Bläserlandschaft ab und unterstreichen ihre grosse Vielfalt.

Ein Bild von Soldat Ramona Schmidiger bei der Vorstellung einer Trompete Foto: Kompetenzzentrum Militärmusik, Bern
Soldat Ramona Schmidiger stellt Instrumente am Workshop in einer Schule vor.

Welche Herausforderungen kennt die Militärmusik?

Die Probleme der zivilen Blasmusik spürt auch die Militärmusik: Der Nachwuchs ist grundsätzlich rückläufig. Es braucht Ausdauer und viel Übung, um ein Instrument zu erlernen – das ist heute nicht mehr so cool. Um dieser Tatsache entgegenzuwirken, machen wir seit längerem Instrumentenvorstellungen in Schulen in Zusammenarbeit mit den örtlichen Musikschulen. Am Ende sind aus meiner Sicht jedoch die Eltern der Schlüssel zum Erfolg: Denn, wenn sie ihre Kinder nicht unterstützen, brechen diese häufig den Unterricht ab, weil sie keine Lust mehr haben, zu üben. Zweitens ist die Mehrheit in zivilen Vereinen weiblich. Diese Instrumentalistinnen müssen jedoch keinen Militärdienst leisten. Mit flächendeckenden Kampagnen versuchen wir sie für die Militärmusik zu gewinnen. Drittens ist es heute leicht, Zivil- anstatt Militärdienst zu leisten und schlussendlich gibt es für beides nur politische Lösungen.

Wie sieht es bezüglich Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten aus?

Zum einen können Militärmusiker/-innen weitermachen, Kaderschulen besuchen und allenfalls später als Musikoffizier oder Spielführer selbst ein Spiel leiten. Während ihrer Ausbildung erlangen sie sogar den Abschluss als Jugend+Musik-Leiter/-in. Zum anderen können sie sich musikalisch mittels einer weiteren Audition für das Schweizer Armeespiel (SAS) empfehlen. Bedingungen für das SAS sind, dass die Musikantinnen und Musikanten die RS absolviert haben und militärdienstpflichtig sind. Je nach Bedarf werden sie anschliessend in eines der vier Orchester des SAS eingeteilt.

Ein Bild des Rekrutenspiels 16-2/2022 bei ihrer Show am Tattoo on Stage im KKL Foto: World Band Festival Luzern
Die Show des Rekrutenspiels 16-2/2022 am Tattoo on Stage im KKL.

Was ist speziell an einem WK in einem Schweizer Armeespiel?

Mitglieder von Armeespielen leisten ihren WK nicht am Stück, sondern gesplittet. Eine Session besteht zum Beispiel aus drei Probetagen und einem bis zwei Konzerttagen.

Video der Schweizer Militärmusik

Der Weg zur Militärmusik, die Aus- und Weiterbildung in RS und Kaderschulen und das gesamte Einsatzspektrum mit emotionale Erlebnissen in einem Film.

Weitere Informationen zur Schweizer Militärmusik finden sie hier.

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