Dirigentinnen und Dirigenten sowie Musikanten und Musikantinnen kennen die Situation: Man hat an einem Musikfest oder Musikwettbewerb gespielt und eine Aufnahme des Vortrags bekommen. Beim Anhören macht sich Ernüchterung breit. «Was? Haben wir wirklich so schlecht gespielt? Hat das wirklich so geklungen?»
Die Entwarnung vorab: Live klang es sicher «besser». Woran liegt das? «Wenn wir uns eine Aufnahme anhören, klingt diese wesentlich ‹direkter›, als wenn wir in einem Saal dem Orchester oder der Brass Band zuhören. Direkter deshalb, weil wir auf einer Aufnahme in der Regel die vorhandene Raumakustik (Reflexionen, Hall etc.) nicht mit aufnehmen, diese aber beim Hören im Saal wahrnehmen. Dadurch ist eine Aufnahme jeweils ‹gnadenlos› direkt und lässt uns Details hören, die wir beim Live-Erlebnis weniger gut wahrnehmen», erklärt Fachmann und Dirigent Mark Baumgartner aus Walperswil.
Diesen Umstand kann man sich zunutze machen! In diesem Beitrag geht es darum, einen Weg aufzuzeigen, wie Aufnahmetechnik in die Probenarbeit integriert werden kann und wie damit gearbeitet wird. Das Proben mit Aufnahmetechnik lässt die Formation nachhaltig besser klingen!
Die benötigte Technik ist vielseitig einsetzbar
Aufnahmegerät
Als Aufnahmegerät verwendet Mark einen digitalen Rekorder Zoom H6. Um eine ausgewogene Aufnahme aller Instrumente zu bekommen, wird das Aufnahmegerät auf ein Stativ, je nach verfügbaren Raumverhältnissen und Platz, in etwa drei Meter Höhe montiert und zirka drei bis fünf Meter mittig vor die Band gestellt.
Software
Der Zoom H6 wird via USB mit einem Laptop verbunden. Als Software wird das Produkt Adobe Audition eingesetzt. «Es ist nicht kostenlos, bietet jedoch viele Features, die auch für Klangaufnahmen ganzer Werke und deren Nachbearbeitung ideal benutzt werden können. Andere Produkte oder kostenlose Software sind selbstverständlich auch nutzbar», weiss der Fachmann.
Lautsprecher
Zur Wiedergabe werden zwei Lautsprecher mit Akkubetrieb benutzt: die Bose S1. Diese sind tragbar, rasch installiert, leistungsstark und können unterschiedlich eingesetzt werden: «Sie eignen sich ebenso als Monitore oder Verstärker von Gesang oder Solisten und als Medium zur Ansage am Konzert ideal. Da keine Stromkabel notwendig sind, ist alles in Windeseile aufgebaut», ergänzt Mark Baumgartner.
Die Investition in die Aufnahmetechnik (Mikrofon, Lautsprecher und Software) lohnt sich doppelt! Sie kann ebenso genutzt werden, um eigene Konzertmitschnitte zu erstellen und diesen in der Postproduction den nötigen Raum zu geben, um die Aufnahme dem Liveerlebnis gleichzustellen.
Proben mit Instant-Aufnahmetechnik
Nun geht es an die Probenarbeit. Dies kann sowohl eine Gesamt- als auch eine Registerprobe sein. Wie üblich werden Stellen eines Werks gespielt – mit dem grossen Unterschied, dass diese direkt aufgenommen und gleich (instant) wieder abgespielt und besprochen werden. Nach und nach werden folgende musikalischen Aspekte beleuchtet:
- Klangbalance/Klangausgleich
- Intonation
- Dynamik
- Rhythmik, Metrik, Groove
- Phrasierung, Musikalität
Die Probe beginnt beispielsweise mit einem Choral. Nach dessen Aufnahme kann der Dirigent sagen: «Hört euch die Balance zwischen erster und zweiter Stimme an. Was fällt euch auf?» oder «Wie findet ihr den Choral, hört genau hin.»
«Ich konnte durch die Aufnahmetechnik meine Phrasierungs-Ideen und die Agogik sehr rasch überprüfen und meine Interpretationen verfeinern.»
Aha-Erlebnis von Dirigentin Anna
Win-win für alle Beteiligten …
«Die Musizierenden hören aus Aufnahmen von selbst Gespieltem schnell wichtige Aspekte heraus, die ihnen bis dahin weniger bewusst waren oder weniger wichtig erschienen. Sie werden in kürzester Zeit viele Aha-Erlebnisse haben und dabei auf die erwähnten Aspekte der Musik sensibilisiert und lernen schnell und nachhaltig, worauf es beim guten Klang ankommt», erklärt Baumgartner den Effekt.
«Es war mir bisher nicht so bewusst, wie wichtig es wirklich ist, aufeinander zu hören. Mit der Aufnahmetechnik war es sofort klar!»
Aha-Erlebnis von Musikantin Ina
Auch für Dirigierende ist die Aufnahmetechnik ein hilfreiches Instrument zur Selbstreflexion: «Details, die sie an einer ‹normalen› Probe nicht oder nur indirekter und weniger klar hören würden, fallen ihnen sofort auf. «Zudem fällt einem dabei auf, wenn das gewählte Tempo oder die Phrasierung nicht ideal wirken», weiss Mark aus eigener Erfahrung.
… und viele Vorteile
Alles in allem bietet die Ergänzung zur bisherigen Probenarbeit viele Vorteile und Möglichkeiten, sich kontinuierlich zu verbessern und insbesondere die Klangvorstellung der Musizierenden zu fördern:
- Den gewünschten Klang visualisieren und gestalten
- Intonation und Tonkontrolle verbessern
- Ausdruck und Interpretation eines Musikstücks formen
- Klangfarbe und Dynamik des Spiels variieren
- Klangbewusstsein schärfen und Selbstkorrekturen vornehmen
«Mit der Aufnahme war mir in Sekundenschnelle klar, was der Dirigent mit ‹mehr Präsenz beim Solo› gemeint hat.»
Aha-Erlebnis von Musikant Peter
«Letztlich ermöglicht es uns, unsere Musik mit Emotionen zu füllen und eine lebendige, ausdrucksstarke Performance zu liefern», ist Mark Baumgartner überzeugt.
Technik ausprobieren und Workshop-Angebot
Interessiert? Mark Baumgartner organisiert auf Wunsch Workshops zur effizienteren Probengestaltung für die Regional- und Kantonalverbände. Dabei lernen die Teilnehmenden die Technik kennen und können sie ausprobieren. Mehr zum Workshop-Inhalt auf sound-upgrade.ch.
Um zu testen, wie das Ganze funktioniert, richtet er sein Setting auch gerne bei einem Verein ein und probiert es gemeinsam mit dem Dirigenten, den Musikantinnen und Musikanten aus.
«Diese Art der Probenarbeit macht sich die Gegebenheiten der Klangaufnahmen zunutze und arbeitet damit – nachhaltig!
Mark Baumgartner, Dirigent und Fachmann Aufnahmetechnik
Antworten zu oft gestellten Fragen
Im folgenden Interview geht Mark Baumgartner auf einige oft gestellte Fragen ein.
Mark, stellst du die Aufnahmegeräte an Workshops zur Verfügung?
Ja, die Aufnahmetechnik stelle ich bei Workshops zur Verfügung und sie ist im Preis inbegriffen.
Wenn ein Musikverein die Aufnahmetechnik anschaffen möchte, welche Kosten kommen auf ihn zu?
Für die Technik kommen Kosten von rund 1000 bis 2000 Franken auf die Vereine zu. Das Aufnahmegerät (Rekorder) kostet zirka 500 Franken und akkubetriebene Boxen (Lautsprecher) sind ab 500 bis 1500 Franken und mehr erhältlich. Die Software kann, wie im Text erwähnt, auch kostenlos heruntergeladen werden. Ich empfehle allerdings ein Markenprodukt wie Adobe Audition zu nehmen. Das Monatsabo dafür kostet CHF 25.95.
Können sie die Aufnahmetechnik auch bei dir kaufen?
Ich selbst verkaufe keine Aufnahmetechnik-Geräte, gebe aber Empfehlungen ab, welche man kaufen soll und wo.
An welche Zielgruppe richtet sich das Workshop-Angebot?
An die kantonalen und regionalen Musikverbände und alle Dirigierpersonen, die ihre Probenarbeit effizienter und nachhaltiger gestalten möchten.
In welche vier Kapitel teilst du den Tages-Workshop ein?
- Einführung zum Klang im Allgemeinen und in die Besonderheiten von Klang-Aufnahmen
- Vorstellen der verwendeten Technik und Einführung in die Software
- Arbeiten mit Aufnahmetechnik an der Probe mit einem Ad-hoc-Ensemble
- Aufnahme von Konzerten und Post Production / Posting auf Social Media
Wie bist du auf die Idee gekommen, dieses Workshop-Angebot ins Leben zu rufen?
Durch meine Erfahrungen als Dirigent mit Aufnahmen von Musikfesten.
Welche Vorteile bietet die Aufnahmetechnik Musikantinnen und Musikanten?
Für die Musizierenden liegt der Vorteil darin, dass sie sich unmittelbar nach dem Spielen selbst hören. Sie können dadurch ihre Rolle im Ensemble besser verstehen und entwickeln eine Klangvorstellung. Sie merken sofort, wie wichtig z. B. das Zusammenspiel, die Artikulation und Klangfarbe ist.
Die Vorteile für Dirigenten und Dirigentinnen?
Dirigierende wiederum können ihre Arbeit selbst reflektieren. Wie wirkt das gewählte Tempo? Ist die Phrasierung sinnvoll und löst sie die gewünschten Emotionen aus? Wie ist die Klangbalance? Durch die Direktheit der Aufnahme ist es zudem einfacher, Intonationstrübungen zu orten und komplexe Passagen, z. B. in Bezug auf Transparenz, zu kontrollieren.
Wie kann die Aufnahmetechnik für Social Media eingesetzt werden?
Viele Vereine filmen sich bei Auftritten mit dem Handy. Die Tonqualität dieser Aufzeichnungen ist allerdings miserabel und wirft ein schlechtes Licht auf die Blasmusik im Allgemeinen. Ich zeige an den Workshops, wie das mit dem Aufnahmegerät funktioniert und wie danach Bild und Ton synchronisiert werden. Zudem erkläre ich, wie man den Klang durch Nachbearbeitung und Effekte wie Hall oder Kompressoren deutlich verbessern kann.
Mark Baumgartner
Studio Biel
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