In Zeiten des Mitgliederschwunds und der damit verbundenen Besetzungsprobleme gilt es in vielen Vereinen neue Wege zu finden, um die Blasmusik als Kulturträger zu erhalten.
Nebst der Bildung von Spielgemeinschaften existiert auch das anspruchsvollere Modell der Fusion zweier oder mehrerer Vereine: Entweder wird ein Verein in den anderen integriert oder es wird ein neuer gegründet.
Vereinsrechtliche Fragen wie Anpassung der Strukturen und Statuten sollen hier nicht das Thema sein. Für uns Dirigentinnen und Dirigenten ist es interessant, zu wissen, wie wir mit der Situation umgehen können, wenn sich unser Tätigkeitsfeld infolge eines Vereinszusammenschlusses drastisch verändert.
Am Beispiel der vom Solothurner Dirigenten Roger Meier initiierten «Concert Band Oensingen-Kestenholz», die aus dem Zusammenschluss der drei Vereine Young Concert Band Oensingen-Kestenholz und den Musikgesellschaften Kestenholz und Oensingen entstand, lässt sich exemplarisch darstellen, wie ein anspruchsvolles Projekt gestartet und zum Erfolg geführt werden kann.
Vorneweg: Statt zu warten, bis Vereine nicht mehr spielfähig sind, sollte man aktiv das Heft in die Hand nehmen, bevor es zu spät ist. Die Dirigentinnen und Dirigenten können aus einer musikalischen Vision heraus vorausschauend agieren, um nicht auf eine verfahrene Krisensituation reagieren zu müssen.
Vision – Strategie – Kommunikation
In diesem Fall hat der Dirigent selbst als Kopf und treibende Kraft gehandelt: Wenn der Lead bei der musikalischen Leitung liegt, können die neuen Strukturen in deren Sinn aufgebaut und geformt werden. Das neu entstehende Gebilde wird aus musikalischen Erwägungen heraus gestaltet und muss diese nicht auf Anhieb politischen, finanziellen, lokalpatriotischen oder anderen aussermusikalischen Gründen unterordnen.
Das Fusions-Fundament muss breit abgestützt sein. In diesem Fall wurde die Strategie, entworfen von einem handverlesenen Komitee, allen beteiligten Vereinen an deren GV präsentiert; es wurden Rückmeldungen eingeholt und verarbeitet und das Gespräch mit den Gemeinden und den Verbänden gesucht. Da zeigt sich, wie wichtig die Kommunikation ist: Alle sollen jederzeit wissen, worum es geht und was weshalb gerade passiert.
Der Beginn
Auch hier stand ein musikalisches Ziel im Vordergrund: Ein Gemeinschaftskonzert in den zwei Gemeinden sowie eine Parademusik-Demonstration mit dem gesamten Klangkörper! Man kann sich vorstellen, dass ein gut besetztes Blasorchester mit 60 Mitgliedern und ein erster Konzerterfolg allen Beteiligten die Energie und die Motivation gibt, weiterzumachen und neue musikalische Ziele anzustreben.
Natürlich mussten viele aussermusikalische Dinge geregelt werden: Die Dirigentenfrage samt Entlöhnung, die Wahl des Probelokals und die Logistik, die Finanzen, die gemeinsame Konzertkleidung, die Regelung der gestiegenen Zahl von Pflichtauftritten usw.
Aber mit der musikalischen Idee als Grundlage und als Leuchtfeuer können rund um diese herum die Vereinsstrukturen behutsam wachsen und sich nach und nach an die neuen Gegebenheiten anpassen. Meist wird der umgekehrte Weg beschritten …
Die Probenarbeit
Auf die erste Probe mit einem neu zusammengestellten Klangkörper darf man wahrlich gespannt sein! Alte Gewohnheiten punkto Probenarbeit und -tempo, verschiedene (Klang)kulturen, neue Sitznachbarn, ein verändertes Klangbild usw. bilden eine Zusammenballung von Verschiedenartigem, das durchaus wilde und gar chaotische Auswirkungen hervorbringen kann.
Es gilt nun, in den ersten Monaten den Musikantinnen und Musikanten das eigene musikalische ABC, die eigene Terminologie und die eigene Art und Weise näherzubringen, ein Orchester und Menschen zu führen. Basisarbeit ist gefragt, und dies in einem vertieften Sinne.
Der musikalische Plan, wie man Schritt für Schritt zum nächsten Ziel kommt, muss transparent sein und verständlich gemacht werden; auch hier steht die Kommunikation im Vordergrund.
Das soziale Leben im Verein
Der neu gebildete Klangkörper muss nicht nur musikalisch zusammenwachsen, sondern auch kameradschaftlich. Neue Bekanntschaften müssen geknüpft und neue Namen gelernt werden. Ebenso sollten alle aus ihrer persönlichen Komfortzone herauskommen, um sich mit den neuen Kolleginnen und Kollegen besser zusammenzufinden. Heisst, sich in Pausen oder nach der Probe nicht nur mit den Kameraden des «alten» Vereins zu unterhalten, sondern sich auch gegenüber den neuen Mitmusikantinnen zu öffnen, auf die «Neuen» zuzugehen und den Austausch auch unter den verschiedenen Altersgruppen zu pflegen.
Fazit
Kann dieses Beispiel als Modell dienen? Beim Bilden von Spielgemeinschaften oder bei Vereinsfusionen führen sicherlich viele Wege zum Erfolg. Das Bestechende an obigem Beispiel ist die Stärke der Idee: Die Musik im Zentrum!