«Erfolg des Übens» oder «erfolgreiches Üben»?
Mit folgenden Zitaten wird auf einen feinen Unterschied hingewiesen: Im ersten Fall ist das Üben Mittel zum Zweck, im zweiten das Üben selbst eine Kunst: Der Weg ist das Ziel.
«Der Erfolg des Übens zeigt sich im sicheren, fehlerfreien, schnellen und anstrengungslosen Ausführen einer Tätigkeit.»
A. Ernst (Musikpädagoge)
«Eines der wichtigsten Geheimnisse erfolgreichen Übens liegt im Experiment: Ausprobieren, Wahrnehmen, Selbstorganisation, Motivation, Autonomie und Liebe zur Musik sind die Zutaten.»
E. Altenmüller (Musikphysiologe)
Instrumentales Üben
Jegliche musikalische Tätigkeit ist darauf ausgerichtet, die Zuhörerschaft emotional zu berühren. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich aber die Tendenz manifestiert, das Musizieren in erster Linie unter technischen Gesichtspunkten zu sehen. Das endlose Wiederholen motorischer Abläufe prägte den Ueb-Alltag und dank wissenschaftlicher Möglichkeiten wollte man alles kontrollieren, analysieren und verstehen.
Allerdings haben wir alle schon die Erfahrung gemacht, dass uns diese letztgenannten Bedürfnisse oft im Weg stehen, wenn es darum geht, erfolgreich zu lernen und zu konzertieren. Wir brauchen ein ganzheitlich geprägtes Verständnis von der Musik und von uns selbst.
Auch sind spontane Fortschritte beim instrumentalen Üben oder in der Probe nicht gleichzusetzen mit nachhaltigen Lernfortschritten, die sich später dann auch am Konzert abrufen lassen.
Üben in der Probe
Immer wieder wird die Effizienz unserer Probenarbeit dadurch beeinträchtigt, dass viele Orchestermitglieder «nicht geübt» haben. Wenn wir uns aber nicht die Zeit und die Mühe nehmen, dem einzelnen, vielleicht auch überforderten Mitglied, z. B. elementare Ueb-Techniken näherzubringen und diese auch exemplarisch an Ort und Stelle zu praktizieren, kann es sein, dass sich dieses Mitglied vernachlässigt vorkommt und die Motivation verliert.
Ebenso kann die Motivation derjenigen leiden, die gut vorbereitet in die Probe kommen, und die dank ihrem Können oder dadurch, dass sie eben «geübt» haben, keine Grundanleitungen mehr brauchen.
Das Proben üben
Wenn man im oberen Titel das Wort «Üben» durch das Wort «Proben» ersetzt, wird ersichtlich, dass es auch eine «Kunst des Probens» gibt. Das heisst, dass die einzelne Probe nicht nur eine Trainingseinheit darstellen soll, in welcher mittels Wiederholung und fehlerfreier Automatisierung an messbaren Faktoren gefeilt wird. Wobei auch diese Art von «Üben» ihre Berechtigung hat, wenn der Übungsgegenstand auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der Ausführenden angepasst ist.
Das Proben ist also durchaus Mittel zum Zweck, nämlich denjenigen, ein gelungenes Konzert durchzuführen: Der «Erfolg des Probens»!
Erfolgreich Proben
«Erfolgreiches Proben» aber ist eine Kunst, die von uns geübt und erlernt werden kann. Die wichtige Frage lautet, wie die Probe gestaltet werden kann, dass sie ein Feld bietet, in dem probiert, experimentiert und Musik erlebt werden kann. Die Mechanisierung von Abläufen, z. B. beim «Einspielen», ist kontraproduktiv; vom ersten Ton an sollte es um die ausdrucksvolle Vermittlung musikalischer Inhalte gehen. Die Individualität des Orchestermitglieds muss einbezogen und es soll ermutigt werden, sich selbst zu sein und gleichzeitig über sich hinauszugehen.
Dies ist unsere Aufgabe und mit einer übergeordneten Sichtweise fällt es einfacher, mit der Heterogenität im Amateurorchester fertig zu werden: Während die Profiformation vorrangig auf das künstlerische Endprodukt und dessen Wirkung auf die Zuhörerschaft zielt, will das Amateurmusizieren auch zwischen Kunst und Menschen vermitteln, die nicht von Berufs wegen Musik ausüben.
Die Probe ist das Ziel, und mit entsprechenden musikalischen, ganzheitlichen Inhalten können sowohl starke als auch schwache Instrumentalistinnen und Instrumentalisten motiviert werden, stets ihr Bestes zu geben.