Vom Lobbying für die Musik

Porträt Stefan Müller-Altermatt
Liebe Leserin,
lieber Leser

Wenn ich mit dem Waldhorn in der Konkordia Wolfwil musiziere, dann ist die Politik weit weg. Gelegentlich passiert es, dass während einer oft gespielten, wenig mitreissenden Passage die Gedanken abschweifen und die Politik in den Kopf drängt. Prinzipiell gilt aber: In der Musik hat die Politik nichts zu suchen.

Umgekehrt gilt das nicht: Ich nehme die Musik sehr bewusst mit in die Politik. Nicht aus Harmoniebedürfnis, sondern deshalb, weil auch die Musik in der Politik eine Stimme, eine Lobby braucht. Auf den ersten Blick mag das wenig zwingend erscheinen. Die Wirtschaft braucht Lobbyisten, das ist klar. Die Umwelt auch, ebenso die Bauern, der Tourismus, die Gewerkschaften, der öffentliche Verkehr. Das sind schliesslich hochpolitische Themenfelder. Aber die Musik?

Man könnte sich täuschen. Es gibt sehr viel mehr politische Baustellen im Musikbereich, als man vielleicht denken könnte. Die musikalische Bildung, deren Verfassungsartikel teilweise noch immer der Umsetzung harrt, ist eines der pendenten politischen Themen. Und während Corona hat man gesehen, wie wichtig der Draht in die Politik ist – und viele Politikerinnen und Politiker haben erst durch die Pandemie realisiert, dass die Musik ein Wirtschaftszweig ist, der nicht nur schöne Erlebnisse, sondern auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze generiert.

Und auch die neue digitale Welt bringt politische Implikationen für die Musik: Auf Spotify werden die Schweizer Musikschaffenden chronisch diskriminiert. In den kuratierten Angeboten von Spotify findet man kaum Schweizer Musik, weil Spotify in der Schweiz keinen Sitz und kein Personal hat. Dadurch sieht man die Schweizer Musik kaum. Keine Sichtbarkeit heisst keine Streams, keine Streams heisst kein Geld. Ohne politischen Druck wird sich das nicht ändern – Sieg am ESC hin oder her.

Und last but not least ist die Musik, sei es die professionelle Branche oder die Laienmusik, auch bei der profanen Geldverteilung (über die Kulturbotschaft des Bundes) auf Interessenvertreter angewiesen, die verhindern, dass im Wettbewerb mit Film, Museen, bildenden Künsten etc. das Geld einfach zu den Andern fliesst.

Musik ist politisch. Leider. Für mich heisst das aber wenigstens, dass ich als Präsident der «Parlamentarischen Gruppe Musik» die eine Leidenschaft (die Politik) zugunsten der anderen (der Musik) einsetzen kann. Ich kann so selbst einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass ich weiter unbesorgt in der Konkordia musizieren kann – eben ohne dabei an die Politik denken zu müssen.

Porträt Stefan Müller-Altermatt
Stefan Müller-Altermatt, Präsident der Parlamentarischen Gruppe Musik
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