Wegweisender Schulterschluss dreier Vereine

Am 25. Januar 2024 kam es im idyllischen Ostschweizer Dorf Eggersriet zu einem historischen Ereignis: Drei Musikvereine gründeten einen Dachverband. Besiegelt wurde keine Fusion und keine Auflösung eines bestehenden Vereins, sondern eine intelligente Bündelung der vorhandenen Ressourcen. Der Weg zu diesem Meilenstein war lang und anspruchsvoll, und die Gründung markiert lediglich den Anfang eines aufregenden neuen Kapitels in der Blasmusikszene.

Die Idee des «Miteinanders» entstand – wie so oft – aus der Not heraus: Im Vorstand der regionalen Jugendmusik BrassWave. Diese wird von den vier Vereinen Bürgermusik Grub SG, Musikgesellschaft Grub AR, Musig Eggersriet SG und Bürgermusik Untereggen SG getragen.

Grosse Fragen zu beantworten braucht Zeit

Das Problem: Musizieren mit Freunden macht am meisten Spass, doch wenn der Übertritt in den Stammverein ansteht, werden Freundschaftsbande manchmal getrennt. Oftmals ist der Anschluss im Dorfverein dann schwierig, die Schule oder Lehre fordert einen und man hört auf, Musik zu machen. Die Dorfvereine kämpfen mit Mitgliederschwund und sind teilweise stark unterbesetzt.

Um dem entgegenzuwirken, kam die Idee auf, gemeinsam musikalische Projekte mit allen vier Stammvereinen durchzuführen. Die vier Vereine trafen sich im November 2020 zu ersten Gesprächen. Zu Beginn musste vieles analysiert und geklärt werden: Wo liegen Hindernisse? Wo können wir Einfluss nehmen und wo nicht? Was soll das Ziel der Zusammenarbeit sein? Was soll gemeinsam erreicht werden? Mit zwölf Anwesenden solch grosse Fragen zu beantworten brauchte Zeit und Biss.

Ideen eine Form geben

Schnell wurde klar, dass alle Vereine die Brassband-Musik wieder näher zu Jugendlichen und Erwachsenen bringen wollen und es das Überleben der Vereine zu sichern gilt. «Trendy» sein mit wenig(er) Verpflichtungen, offen für verschiedene Projekte ganz ohne die obligaten «Kirchenständli», eine Auswahl bieten, bei der man nach seinen eigenen Interessen mitwirken kann, das waren einige der Grundideen.

Danach ging es darum, die angemessene Form zu finden. Soll in Stärkeklassen gedacht werden? Nach Stilrichtung? Nach Zeitfenster? Oder sogar nach Alter? Flexibilität und Vielfalt standen im Mittelpunkt dieser Bestrebungen, um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden.

Projektphase I: Fünf musikalische Projekte

Nach intensiven Diskussionen während zehn Sitzungen entschied man sich für flexibel belegbare Projekte, die im zweiten Halbjahr 2022 ausprobiert werden sollten. Die erste Projektphase umfasste fünf musikalische Projekte, darunter ein Spätsommerfest, eine Herbstwanderung durch alle Dörfer, ein Gala-Dinner, ein Kirchenkonzert und Weihnachtsmusik in Kleingruppen.

Für jedes Projekt konnte man sich separat einschreiben. Dies erforderte einiges an Planung. Die Dirigenten mussten sich absprechen, Literatur ausgewählt, Probeorte und Tage definiert sowie die Besetzung im Auge behalten werden. Die einzelnen Projekte wurden von verschiedenen OKs aus den vier Vereinen organisiert und geplant. Bereits in dieser ersten Projektphase wurde allen klar, dass man dabei näher zusammengerückt war, Vorbehalte abgebaut und gemeinsam Neues erschaffen hatte.

Projektphase 2: In welcher Art und Weise?

Die erste Projektphase war durchwegs positiv. Als es dann in der Projektgruppe um eine allfällige Weiterführung ging, musste aber erneut über das Ziel diskutiert werden. Führt der Weg zum Ziel über die Auflösung oder Zusammenführung der Vereine? Oder soll phasenweise projektartig zusammengearbeitet und der «normale» Vereinsbetrieb weitergeführt werden?

Diverse kleinere Anpassungen wurden gemacht und ein zweites Projekthalbjahr im Jahr 2023 aufgegleist. Auch dieses verlief positiv, und somit konnte entschieden werden. Nach einer Evaluation beschloss man, die Zusammenarbeit fortzusetzen, wobei die Frage nach der Art und Weise erneut diskutiert wurde. Soll ein neuer Verein gegründet werden? Was passiert mit den «traditionellen» Dorfvereinen? Schliesslich entschied man sich für die Gründung eines Dachverbands über drei Vereine, um flexibel, unabhängig und dennoch verbunden zu bleiben.

Gründung eines Dachverbands

Im Januar 2024 fand die Gründungsversammlung eben dieses Dachverbands mit dem Namen «360°Brass» statt, der den Rundumblick in alle musikalischen Richtungen symbolisiert. Es wurde auf einen fairen Ausgleich geachtet, also muss der Vorstand aus je einem Mitglied der drei Vereine bestehen. In den Statuten steht auch, dass an der jährlichen Delegiertenversammlung der Sockelbeitrag für den Dachverband bestimmt wird. Dieser ist flexibel und wird je nach Budget, respektive nach den Kosten für geplante Projekte, angepasst.

Der Dachverband ermöglicht es nun, jedes Jahr neue Projekte zu realisieren und verschiedene Ideen zu verwirklichen. Themen wie die Zusammenlegung von Notenarchiven, die Anstellung von Musiklehrpersonen oder die Aufnahme weiterer Vereine werden aktiv diskutiert. Auch stellen sich nach der Gründung neue Fragen: Braucht es ein einheitliches Outfit für gemeinsame Projekte? Sollen erfolgreiche Projekte wiederholt werden oder soll es in jedem Jahr etwas Neues geben?

Drei Projekte für drei Dörfer

Für das Jahr 2024 werden drei Projekte in Angriff genommen. Zum einen wieder ein gediegenes Musik-Dinner in Grub SG, eine «Quiznight» in Eggersriet und ein Konzert in der Kirche in Untereggen. Auch hier kann man das Bemühen um Ausgeglichenheit erkennen. In jedem der drei Dörfer sollen Projekte durchgeführt werden.

Allen Beteiligten ist klar, dass der Erfolg dieser Initiative kontinuierliche Anstrengungen erfordert und der Prozess laufend evaluiert werden muss. Doch der Weg ist geebnet für eine vielversprechende Zukunft der Brassband-Musik in der Region rund um den Fünfländerblick.